Die Spar-Lüge
So brechen SVP, FDP und CVP ihr Versprechen

Der Bund schrieb im letzten Jahr über 100 Millionen Verlust. Grund genug, um so richtig den Rotstift anzusetzen, fanden die Bürgerlichen. Doch wird tatsächlich gespart?
Publiziert: 01.06.2015 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 04.10.2018 um 21:44 Uhr
1/7
Die Präsidenten der drei grossen bürgerlichen Parteien schwören – aber mit gekreuzten Fingern: Toni Brunner (SVP), Christophe Darbellay (CVP) und Philipp Müller (FDP, v. l.).
Foto: Illustration: Igor Kravarik
Von Christoph Lenz (Text) und Igor Kravarik (Illustration)

Breitbeinig, trotzig, wild entschlossen: Wie einst die drei Eidgenossen traten Toni Brunner (SVP), Philipp Müller (FDP) und Christophe Darbellay (CVP) Ende März vor die Medien.

Und die Parteipräsidenten leisteten einen feierlichen Schwur. Auf ein Massnahmenpaket gegen den Frankenschock, gegen das Bundesdefizit und gegen den Abstieg der Schweiz.

Kernformel: Keine neuen Steuern, keine neuen Stellen beim Staat, keine neuen Ausgaben der öffentlichen Hand. Der Bundeshaushalt solle vielmehr «auf dem Niveau von 2014 eingefroren» werden. Eine klare Ansage.

Drei Monate später entpuppt sie sich als Bluff, als PR-Manöver. Politiker von CVP, FDP und SVP fordern und bewilligen munter neue Mehrausgaben. Von Sparen keine Spur! BLICK zeigt, wo der Sparschwur von Brunner, Müller und Darbellay gebrochen wird.

Wortbruch 1: Armee

Fünf Milliarden Franken stehen der Armee künftig pro Jahr zur Verfügung. 650 Millionen mehr als 2014. So wollen es CVP, FDP, BDP und SVP.

«Immer noch zu wenig!», findet SVP-Mann Hans Fehr. Er beantragt eine weitere Aufstockung um 400 Millionen Franken pro Jahr. Begründung: Die Armee habe schon zu viel sparen müssen, zudem ändere sich die globale Sicherheitslage stark. «Deshalb braucht es mehr Geld», so Fehr. Es könnte sogar noch dicker kommen. Eine Berner Standesinitiative will das Armeebudget auf rund acht Milliarden Franken aufpumpen. FDP und SVP gehören zu den treibenden Kräften dahinter.

Wortbruch 2: Sport

SVP-Bundesrat Ueli Maurer will bis 2029 eine Milliarde Franken zusätzlich in den Sport stecken. Bürgerliche signalisieren Zustimmung.

Und sie haben noch andere Ideen, wie mehr Steuergeld für den Sport ausgegeben werden könnte. So diskutiert der Ständerat heute über die Forderung von Peter Föhn (SVP/SZ), Jugend und Sport (J+S) für 2015 zusätzliche 15 Mil­lionen Franken zu geben. Das sei nötig, um eine Kürzung der J+S-Taggelder zu vermeiden, sagt Föhn.

Wortbruch 3: Bauern

Das Sparprogramm des Bundesrats sieht vor, bei der Landwirtschaft 56 Millionen Franken einzusparen. Im Nationalrat stiess dies auf erbitterten Widerstand der Bauernlobby. Auch im Ständerat, wo das Geschäft diese Woche beraten wird, könnte die Sparmassnahme durchfallen. Ein Antrag, auf den Sparschnitt zu verzichten, ist eingereicht. Von Politikern aus SVP und CVP.

Wortbruch 4: Kultur

Der Bundesrat will Kultur stärker fördern. Ab 2016 sollen pro Jahr rund 20 Millionen Franken zusätzlich zur Verfügung stehen. Ein starkes Wachstum! Und ein klarer Verstoss gegen den Sparschwur der bürgerlichen Parteipräsidenten. Trotzdem: Viele CVP-Politiker wollen der Kulturbotschaft zustimmen und dem Geschäft so zu einer Mehrheit verhelfen.

Wortbruch 5: Standortförderung

Der Bundesrat will Schweiz Tourismus mehr Geld geben. Zusätzliche 10,5 Millionen Franken für die nächsten vier Jahre. Reicht nicht, findet indes Dominique de Buman (CVP/FR). Er will den Beitrag um mindestens 20, lieber aber um 50 Millionen Franken aufstocken. Grund: die Frankenstärke. «Die gesamte Branche leidet», sagt de Buman. Wie das mit dem Sparversprechen von Darbellay vereinbar ist? De Buman mag die Frage nicht kommentieren. Er sagt nur: «Die CVP hat sich immer für den Tourismus ein­gesetzt.»

Und was sagen die Väter des gebrochenen Sparversprechens? Sind sie künftig noch glaubwürdig?

Brunner, Müller und Darbellay erklären auf Anfrage einhellig, dass es beim Schulterschluss nicht nur ums Sparen gehe, sondern auch um Deregulierung und Bürokratieabbau.

Ebenfalls einhellig schieben sie die Schuld für das Scheitern der Sparpolitik ihren Partnern in die Schuhe: «Für den Schulterschluss braucht es drei Parteien», lässt FDP-Müller über seinen Mediensprecher ausrichten. «Wir dürfen Prioritäten setzen. Die SVP und die FDP machen dasselbe», sagt Darbellay.  Und SVP-Brunner spricht «vom Versagen der anderen Parteien». Der bürgerliche Schulterschluss sei aber nicht gestorben.

Giftige Töne für Männer, die sich eben erst zum Schulterschluss zusammengerauft haben.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?