Herr Verteidigungsminister, wie sicher ist die Schweiz nach dem Terroranschlag von Berlin?
Guy Parmelin: Was in Berlin geschehen ist, ist tragisch, und ich bin mit meinen Gedanken bei den Familien der Opfer. Leider bestätigt dieser Anschlag einmal mehr die Beurteilung der Nachrichtendienste, die die terroristische Bedrohung für viele europäische Länder bereits vor einiger Zeit als erhöht oder gar hoch eingestuft haben. An der aktuellen Bedrohungslage für die Schweiz ändert sich vorerst nichts, sie bleibt erhöht. Die Schweiz ist keine Insel: Sie gehört zur westlichen, von Dschihadisten als islamfeindlich eingestuften Welt und stellt damit ein mögliches Ziel terroristischer Anschläge dar. Dschihadistisch inspirierte und radikalisierte Personen haben wir auch in unserem Land. Sie rechtzeitig zu identifizieren und zu neutralisieren, ist eine enorme Herausforderung für alle Sicherheitsorgane.
Hat der Nachrichtendienst Hinweise, dass auch in der Schweiz über die Festtage die Bedrohung durch einen Anschlag erhöht ist?
Die Bedrohung ist für unser Land schon seit geraumer Zeit erhöht. Der NDB überprüft natürlich fortlaufend Hinweise auf eine Bedrohung der Schweiz oder ihrer Interessen im Ausland. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit den Partnern im Ausland, beim Bund und bei den Kantonen.
Hat der Schweizer Nachrichtendienst – wie von vielen Experten gefordert – die Kontakte und den Austausch mit ausländischen Geheimdiensten seit 2015 intensiviert?
Die internationale Zusammenarbeit war noch nie so intensiv wie heute. Sie ist zentral und wird seit Jahren praktiziert. Das zeigen die über 4500 Meldungen, die der NDB jährlich an seine ausländischen Partner verschickt, und der direkte Austausch zwischen Fachexperten, an denen sich der NDB beteiligt. Noch wichtiger als die Anzahl Kontakte und Meldungen ist jedoch deren Qualität und Verwendbarkeit. Generell hat sich im Bereich der Terrorismusbekämpfung der Austausch innerhalb der Bundesverwaltung, mit den Kantonen und mit dem Ausland seit 2015 intensiviert. Die seit 2015 gesprochenen zusätzlichen personellen und finanziellen Mittel für die Terrorismusbekämpfung beim Bund und bei den Kantonen haben es ermöglicht, hier mit der Lageentwicklung Schritt zu halten.
Was raten Sie den Schweizerinnen und Schweizern, wie sollen sie sich in Zeiten von Terrorgefahr in der Öffentlichkeit verhalten?
Die Anschläge der vergangenen zwei Jahre haben gezeigt, dass die Bedrohung durch den dschihadistischen Terrorismus in Europa real ist. Ein Nullrisiko gibt es auch in der Schweiz nicht. Die Bürgerinnen und Bürger sollten zwar wachsam bleiben, dabei aber die freiheitlich-demokratischen Grundwerte unserer Gesellschaft hochhalten und sich nicht einschüchtern lassen. Wir bleiben eine offene Gesellschaft und wollen diese Werte auch weitergeben.