Ist diese Frau echt? Sie wirkt, als sei sie einem Grimm-Märchen entsprungen, wie aus der Zeit gefallen, eine lebendig gewordene Fabelfigur. Ihr Krönungsbild von 1953 ist eine Ikone – und daher zeitlos. Das fotografische Porträt der jungen Queen Elizabeth II beeindruckt noch heute, 64 Jahre danach.
Am Donnerstag wird die Königin 90 Jahre alt. Sie ist die älteste Monarchin der Welt. Niemand in der Geschichte Grossbritanniens hat so lange geherrscht. Nicht einmal Queen Victoria, die 63,5 Jahre auf dem Thron sass.
Das Foto sagt viel darüber aus, wie die Königin ihre Regentschaft gestaltet. Es ist eine sorgfältig inszenierte Demonstration von Macht. Eine Macht, die nicht einschüchternd, sondern warmherzig und fürsorgend wirken will. Das moderne Bild einer würdevollen, schönen Monarchin und Mutter, die sich um ihre Schützlinge kümmert. Und sie nicht zu Untertanen degradiert.
Aufgenommen hat das Foto der britische Kostümdesigner, Mode- und spätere Hoffotograf Cecil Beaton (1904–1980). Massgeblich prägte er damit das öffentliche Bild der Queen. Und verpasste dem Königshaus ein neues Image. Das war nötig geworden, weil König Edward VIII (1894–1972) seine zweifach geschiedene US-Geliebte Wallis Simpson heiraten wollte: 1936 musste er nach wenigen Monaten abdanken. Elizabeths Vater George VI war 16 Jahre auf dem Thron.
Am Bild der würdevollen Monarchin Elizabeth prallten Skandale des Königshauses stets ab. Weder die Scheidung von Prinz Charles (67) und Prinzessin Diana (1961–1997) noch die Party-Exzesse von Enkel Harry (31) noch Tritte ihres Gatten Prinz Philip (94) in zahlreiche Fettnäpfchen beschädigten ihr Image.
Und doch: Die Inszenierung der jungen Queen strotzt vor ehrwürdigen, fast altertümlichen Symbolen. Der Mix aus Moderne und Tradition passt zur Ära der Krönung: Nach dem Zweiten Weltkrieg stand das Empire vor der Auflösung. Grossbritannien steckte in einer tiefen Sinnkrise. Herrschte es einst über ein weltumspannendes Grossreich, blieben bald nur noch unbedeutende Inseln in der Karibik.
Die opulente Krönung 1953 versprühte trotzdem Zuversicht. Als wollte man beweisen: Wir sind immer noch wer. Heute hadern die Briten erneut mit ihrem Selbstbild. Am 23. Juni entscheiden sie über den EU- Austritt. Der Brexit könnte den Weg der Briten in die Bedeutungslosigkeit zementieren.