Gut zwei Dutzend National- und Ständerate haben im Oktober die Hürde der Wiederwahl nicht geschafft und mussten ihr Pult im Bundeshaus räumen. Dazu kommen etliche weitere, die nicht mehr angetreten sind. Für all diese Bundesparlamentarier hat mehr oder weniger abrupt ein Leben nach der Politik begonnen. Wer nicht bereits das Pensionsalter erreicht hat, muss sich einen neuen Job suchen – oder das bisherige Arbeitspensum erhöhen.
Ueli Leuenberger (63), der Ex-Präsident der Grünen, ist nach zwölf Jahren im Nationalrat abgetreten. Ab Februar ist er als Arbeitsinspektor unterwegs. In einem 75-Prozent-Pensum für das Genfer Gewerkschaftskartell, wie er BLICK sagt. Nebenbei werde er kulturelle Freiwilligenarbeit leisten. Und auch die zusätzliche Freizeit will der ehemalige Vollblutpolitiker voll auskosten: «Ich suche derzeit einen Gesangsverein, in dem ich als Tenor wirken kann.»
Gleich zwei neue Jobs hat die abgewählte Grüne Aline Trede (32). «Im Frühling werde ich zum zweiten Mal Mutter. Und ab Januar arbeite ich zu 60 Prozent als Geschäftsleiterin bei der Umweltorganisation Umverkehr.»
Der überraschend an der Wiederwahl gescheiterte SP-Fraktionschef Andy Tschümperlin (53) ist derweil «mitten in der Bewerbungsphase mit Führungscoaching», wie er sagt. Das zweite sehr prominente Opfer, SVP-Stratege Christoph Mörgeli (55), schreibt mehr für die «Weltwoche» seines Parteikollegen Roger Köppel.
Eine Abwahl schmerzt alle Politiker. «Nationalrätin ist ein Traumjob. Ich spüre noch immer mehr den Verlust als die Freiheit», so Yvonne Gilli (58) in einem Interview. Die Grüne arbeitet nun wieder mehr als Hausärztin in ihrer Praxis in Wil SG.
«Die Abwahl nagt an einem», sagt auch Daniel Stolz (47). Man dürfe aber nicht in Selbstmitleid verfallen und müsse das Beste aus der Situation machen. Der abgewählte FDP-Nationalrat konnte sein Pensum als Geschäftsleiter der Aidshilfe beider Basel leicht aufstocken. Zudem plane er eine Weiterbildung im Bereich Non-Profit-Management. Völlig offen sei, ob er dereinst wieder in die Politik einzusteigen versuche.
Auch Roland Fischer (50) lässt seine politische Zukunft offen. Der Grünliberale hat sein Pensum an der Wirtschaftshochschule Luzern erhöht.
Über die Abwahl freuen dürften sich hingegen die Enkel von GLP-Nationalrätin Margrit Kessler (67). «Ich habe nun endlich mehr Zeit, um sie zu hüten», sagt die Präsidentin des Patientenschutzes.
Neben dem emotionalen Schlag droht Politikern nach ihrer Karriere auch der Kahlschlag im Portemonnaie. Immerhin: Wer «keinen gleichwertigen Ersatz für das Einkommen als Ratsmitglied erzielen kann oder bedürftig ist», kann eine staatliche Überbrückungshilfe beantragen.
Es sind maximal 30'000 Franken pro Jahr – und für maximal zwei Jahre. Laut Parlamentsdienst ist bislang ein Antrag eingegangen und auch genehmigt worden. Nico Menzato