Parlament lehnt meiste Petitionen der Jugendsession ab
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Junge erarbeiten Forderungen:Parlament lehnt die meisten Jugendsession-Petitionen ab

Die meisten Vorstösse versanden
Jugendsession: Alles für die Katz?

In der Jugendsession dürfen Kinder und Jugendliche die Politik bestimmen und gemeinsam Vorstösse an das «richtige» Parlament einreichen. Doch dieses ignoriert die Nachwuchspolitiker meistens.
Publiziert: 10.11.2019 um 09:17 Uhr
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An der Jugendsession dürfen junge Erwachsene eigene Vorstösse schreiben und sie dem Parlament vorlegen. Erfolg haben die wenigsten Anliegen.
Foto: Keystone
Tobias Bruggmann

Das Gesicht ist noch etwas verschlafen, doch sobald die Diskussion losgeht, ist Winston (15) hellwach. Zusammen mit 199 anderen Jugendlichen debattiert er an der Jugendsession über aktuelle politische Fragen. Winston will mit seiner Arbeitsgruppe eine Lösung finden für das Verschwinden von Jobs in Branchen, in denen mehr und mehr Roboter Einzug halten.

Immer wieder schiessen Hände in die Höhe, fast jeder der rund 20 Teilnehmer in der Gruppe hat etwas zu sagen. Mehr Weiterbildungen oder direkt umschulen? Braucht es dafür mehr zinslose Darlehen? Was ist besser: Nur ein Statement oder eine scharfe Petition?

Parlament versenkt Vorstösse

Trotz aller Diskussion, am Ende ist es meistens vergebens. Am Sonntagabend übergeben die Jugendlichen alle Forderungen, denen das Jugendparlament zugestimmt hat, an SP-Nationalratspräsidentin Marina Carobbio (53). Sie trägt sie dann in die zuständigen Kommissionen im «richtigen» Parlament. Doch dort versanden sie meistens. Von der ersten Jugendsession 1991 bis 2015 gingen 123 Vorschläge ein. In 97 Fällen hiess es: Danke, aber Nein!

Auch Winston kennt das Gefühl. Im letzten Jahr verabschiedete seine Gruppe eine Petition, welche die Wiederaufnahme des europäischen Studentenaustausch-Programms Erasmus forderte. Als Dank für vier Tage Arbeit gab es ein Brief vom Bundesrat. «Es sind gemischte Gefühle», sagt Winston. «Man fühlt sich nicht ganz ignoriert, aber ein Brief nützt halt nicht viel.»

Misserfolg gehört zum System

Corinne Schwegler (32) kennt das Problem. Sie leitet die Jugendsession. «Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Petitionen einen kleinen Einfluss haben.» Schwegler versucht mit einer Lobbygruppe, die Anliegen weiterzuverfolgen. «Es geht bei der Jugendsession aber auch darum, dass die Jugendlichen sehen, wie die politische Arbeit funktioniert.» Dass Forderungen nicht immer sofort eine Mehrheit finden, gehöre zum politischen System.

Und auch Sara (21), die zum ersten Mal dabei ist, sieht es positiv. «Wenn nur eine Person von der Jugendsession in die Politik einsteigt und dort das Anliegen weitertreibt, hat es sich schon gelohnt.»

Viele Vorstösse schon vorhanden

Für BDP-Nationalrat Bernhard Guhl (47) ist klar, warum die Vorstösse nicht weit kommen. «Sehr viele wurden im Parlament bereits in ähnlicher Form lanciert.» Das Parlament wolle dann nicht dreimal parallel das Gleiche entscheiden.

Das bestätigt auch SP-Nationalrätin Claudia Friedl (59). Die Jugendsession sei ein gutes Mittel, um zu spüren, welche Themen den Jungen wichtig sei. Sie gibt ihnen aber einen Tipp: «Vielleicht muss die Petition etwas frecher und ungewöhnlicher sein.»

Tatsächlich wurden einige Petition gemeinsam mit anderen Geschäften behandelt. Und manchmal stellen sich auch zaghafte Erfolge ein: 1996 wurde der Zivildienst als Armeeersatz eingeführt. Bereits fünf Jahre vorher hatte das die Jugendsession gefordert. Bis aber die Gewissensprüfung abgeschafft wurde, wie damals verlangt, dauerte es bis 2009. Vielleicht kommt also auch die Lösung für das Roboterproblem erst 2037.

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