SVP-Nationalrätin Yvette Estermann (50) will die Lobbyisten aus dem Bundeshaus verbannen. Statt den zwei Zutrittsberechtigungen, die jeder Parlamentarier heute frei verteilen kann, soll es nur noch eine geben – für Familienmitglieder und persönliche Mitarbeiter (BLICK berichtete). Für Gäste also.
Doch damit ist das Lobby-Problem im Bundeshaus bei weitem nicht gelöst. Das Parlamentsgesetz schreibt zwar vor, dass Parlamentarier die Zutrittsberechtigten in das öffentliche Register eintragen müssen, inklusive Funktion. Doch das tun längst nicht alle, wie BLICK-Recherchen zeigen.
Von links bis rechts verbreitet
Knapp 50 National- und Ständeräte haben die von ihnen Eingeladenen als «Gast» oder «persönliche Mitarbeiter» gekennzeichnet, obwohl es sich um Lobbyisten handelt. Diese Praxis existiert in allen Parteien von SP bis SVP und allen Landesteilen. Einige Beispiele:
Der Waadtländer FDP-Nationalrat Frédéric Borloz (51) hat seinen Badge an «Gast» Chantal Aeby Pürro vergeben. Doch diese ist Geschäftsführerin des Schweizerischen Weinbauernverbandes.
Die Genfer Staatskanzlerin Anja Wyden Guelpa wiederum, die unter anderem im Vorstand von Schweiz Tourismus sitzt, hat als «Invitée» des Genfer CVP-Nationalrats Guillaume Barazzone (35) ungehinderten Zugang zur Wandelhalle.
FDP-Fraktionsmitglied Christoph Eymann (66) hat Gottlieb Keller, Verwaltungsrat des Pharma-Riesen Roche und Präsident des Pharma-Verbands Scienceindustries, als «Gast» eintragen lassen.
Nebenjob trotz Geschäftsführung
Und Ruedi Horber, Geschäftsführer von Swisslabel, der Gesellschaft zur Promotion von Schweizer Produkten und Dienstleistungen, hat in diesem Job offenbar zu wenig zu tun. Denn nebenbei kann er noch als «persönlicher Mitarbeiter» von SVP-Nationalrätin Sylvia Flückiger (65) jobben. Als solcher hat er jedenfalls Zugang zum Bundeshaus.
Auf der Linken ist es nicht besser: Dank SP-Fraktionschef Roger Nordmann (44) kann François Cherix, Co-Präsident der Neuen Europäischen Bewegung Schweiz (Nebs), im Bundeshaus für den EU-Beitritt weibeln – als «Gast» gekennzeichnet.
Selbst Ex-Bundesratskandidat Pierre Maudet ist «Gast»
In manchen Fällen ist die Kennzeichnung besonders absurd: So hat auch SVP-Werber Alexander Segert (54) – der mit dem Schäfchen-Plakat – Zugang zur Wandelhalle. Als «Gast» des neuen SVP-Vizefraktionschefs Alfred Heer (56).
Der Bauernverband, durch zahlreiche Parlamentarier sowieso gut vertreten, schickt auch noch seinen Cheflobbyisten Francis Egger ohne Herkunftsnachweis in die Wandelhalle. Dank FDP-Nationalrat und Bauernverbands-Direktor Jacques Bourgeois (59).
Selbst prominente Regierungsräte wie der Tessiner Staatsrat Christian Vitta (44) und Ex-Bundesratskandidat Pierre Maudet (39) kommen als «Gäste» ins Bundeshaus. Dabei ist es undenkbar, dass sie dort inkognito bleiben. Und nicht für die Anliegen ihres jeweiligen Kantons weibeln.
Welches Mandat nenne ich nur?
Manchmal ist die Sache komplizierter: Was soll SP-Nationalrat Matthias Aebischer (50) bei seinem Gast Markus Meyer eintragen? Dass er als Präsident des Bernisch Kantonalen Fischereiverbandes da ist? Oder als Vizepräsident der Gebäudeversicherung Bern?
Vor einem ähnlichen Problem dürfte der Waadtländer FDP-Nationalrat Fathi Derder (46) gestanden haben. Einer seiner Badges ging an Chantal Catherine Balet, die in mehr Verwaltungsräten sitzt als man mit den Fingern abzählen kann – von Implenia über die Vaudoise-Versicherung und den Weinproduzenten Gilliard bis hin zur Walliser Kantonalbank.
Ehemann oder CEO?
Überlegungen anderer Art hätte sich die Luzerner CVP-Nationalrätin Andrea Gmür (53) machen müssen. Sie hat ihren Mann eingeladen, als «Gast». Auf den ersten Blick unproblematisch. Nur: Philipp Gmür (54) ist CEO der Helvetia-Versicherung. Hätte seine Frau das nicht transparent machen müssen?
Für dieses Vorgehen entschied sich jedenfalls der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen (36). Seine Lebenspartnerin Alexandra Thalhammer arbeitet für die PR-Agentur Burson-Marsteller. Und das steht so auch im Register. Nicht «Gast».