Simonetta Sommaruga eilt von einem Krisengespräch zum nächsten. Am Mittwoch und gestern weilte sie am europäischen Migrationsgipfel in Malta. Heute folgen Asyl-Gespräche im Bundesrat und mit Kantonsvertretern.
Die Bundesrätin ist Krisenministerin. Und steckt selbst in der Dauerkrise. Bei den wichtigsten Themen ihres Departements – Migration, Asyl und Kriminalität – treibt die SVP Sommaruga seit Amtsantritt durch die Berner Gassen. Mit gebührender Unterstützung des Schweizer Volks.
Die Sozialdemokratin wurde 2010 gezwungen, das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) zu übernehmen. SP-Chef Christian Levrat tobte, die Neo-Magistratin machte gute Miene zur bösen Desavouierung. Sie betonte, das Amt gefalle ihr. Weil sie über zentrale Fragen wie Recht und Gerechtigkeit mitbestimmen könne.
Fakt ist: Die Bernerin kann kaum agieren. Sondern muss stets reagieren. Auf SVP-Initiativen und missliebige Volksvoten wie Masseneinwanderungs-, Pädophilen- und Ausschaffungs-Initiative.
Auch in der Asylfrage ist sie oft in der Defensive: Über ihre Neustrukturierung des Asylwesens wird das Volk richten – Ausgang offen. Derweil steigen die Asylzahlen. Indem Sommaruga die Lage wenig pessimistisch darstellt, manövrierte sie sich in eine Zwickmühle. Setzt sie keinen Krisenstab ein, werden ihr die Rechten vorwerfen, sie schaue weg. Setzt sie ihn ein, kritisieren die Linken ihren unnötigen Alarmismus. Eine Sozialdemokratin kann sich im EJPD derzeit keine Lorbeeren holen.
Dass die Bundesrätin jedoch derart unter Druck steht, ist auch selbstverschuldet. Statt nach Volksentscheiden den Willen zu signalisieren, man werde alles versuchen, das Votum umzusetzen, warnte sie vor den Folgen. Gesten und öffentlichkeitswirksame Signale, man werde die Zuwanderung senken? Fehlanzeige.
Auch fand Sommaruga keinen Weg, wie die radikalen Ausschaffungs- und Pädophilen-Initiativen hart umgesetzt werden können, ohne den Rechtsstaat zu schleifen. Deshalb kommt sie nun erneut unter Druck. Die SVP lancierte eine Neuauflage der Ausschaffungs-Initiative. Und in Sachen Zuwanderung hofft Sommaruga auf eine neue Abstimmung, die den Entscheid vom 9. Februar 2014 rückgängig macht. Ein Spiel mit dem Feuer.
Die Justizministerin ist bemüht, Pflöcke einzuschlagen. Scheinbare Erfolge erweisen sich jedoch rasch als Misserfolge. Bundesratskollegen winkten ihre geforderte Frauenquote in Chefetagen durch – im Wissen, dass sie im Parlament Schiffbruch erleiden wird.
Die Bernerin würde am 9. Dezember gerne das Departement wechseln. Und etwa als Nachfolgerin von Eveline Widmer-Schlumpf Finanzministerin werden. Doch die Bürgerlichen werden alles daransetzen, damit die Finanzen in ihren Händen bleiben.
Sommaruga – gefangen in ihrem Amt. Gefangen in der Krise.