Jedes Jahr exakt in der Mitte der Sommersession – am Mittwoch der zweiten Sessionswoche – fahren die Fraktionen ins Land. Selbstverständlich in unterschiedliche Richtungen, wie es sich in der politischen Landschaft ja auch gehört. Diese Tradition reicht weit zurück und ist in allen Lagern unbestritten.
Es ist inzwischen ebenso zur Tradition geworden, dass nicht nur die Medien in die Wahl der Reiseziele gewisse Aussagen hineininterpretieren, sondern dass die Fraktionen diese gerade in einem Wahljahr mit solchen sogar zu verknüpfen versuchen.
Beliebt sind vorerst die Reisen in die politischen Stammlande. Kurz vor den den eidgenössischen Wahlen kann man den Parteifreunden vor Ort nochmals die Solidarität versichern. Sicher ist auch, dass die Kantonalsektion diese Aufmerksamkeit mit dem nötigen Einsatz bei den Wahlen verdanken wird.
Eine Reise in einen für die Partei wichtigen Kanton hat aber auch die psychologisch-taktische Komponente für die Fraktion selbst: Wenn sie die Reise in eine Hochburg unternimmt, hilft das die Moral zu stärken. Nirgendwo sonst kann man das Gefühl besser spüren, dass man Recht hat, wenn man einen Tag in einem Kanton verbringt, wo die eigene Partei eine wichtige Rolle spielt. Oder sogar die dominierenden politischen Kraft ist.
Dieses Jahr zeigen CVP und SVP an, wie wichtig ihnen solche Stammlande sind. Während erstere ins Wallis fährt und dort sogar zum Schiessen geht – also sich besonders traditionsverbunden zeigt, reisen die SVP-ler in den Thurgau. Ähnlich wie im Wallis die CVP, spielt die SVP im Ostschweizer Kanton die erste Geige. Und die Bevölkerung wählt die beiden Parteien zuverlässig an die Spitze. Bisher war es jedenfalls so.
Die anderen Parteien haben sich dagegen für inhaltliche Signale entschieden. So reist die FDP etwa ins Baselland, wo der bürgerliche Schulterschluss sehr gut funktioniert hat. Dort besucht die Fraktion ein Logistikzentrum der Firma Planzer. Das Signal ist klar: Die FDP unterstützt den Strassenverkehr. Dagegen lässt sich BDP schön mittig von der Energiewende bei der EMPA begeistern und geht dann auf einen innovativen Bauernhof – auf den Juckerhof Seegräben – essen.
Entspannter geht es bei den Grünliberalen zu und her: Die Fraktion reist nach Luzern und besichtigt das von Jean Nouvel entworfene Kultur- und Kongresszentrum KKL. Nach einer anschliessenden Bootsfahrt auf dem Vierwaldstättersee, wollen die Grünliberalen durch durch die Luzerner Altstadt spazieren, wo im Restaurant 1871 ein Abendessen den Anlass abrundet.
Auch die SP fährt in den Kanton Luzern. Dorthin, wo sie zuletzt ihr einziges Mandat im Regierungsrat eingebüsst hat. Im KKL gibt es zuerst einen Apéro riche, dann gehts in die Weinberge bei Kastanienbaum, anschliessend nach Emmen, dann ins ehemalige Industriequartier von Luzern. Im ehemaligen Hallenbad Neubad lässt die SP den Abend dann beim Essen ausklingen.
Die Grünen haben da weniger zu lachen: Sie können – politisch sehr korrekt – im Kanton Neuenburg nur zwischen Biogas-Anlage oder «Solar-Maschine» auswählen.
Am meisten Auswahl an geselligen Anlässen haben ohnehin die CVP-Fraktionsmitglieder. Sie dürfen auswählen – das Schiessen wurde schon erwähnt – aus Pétanque, Jodeln Besuch im Gardemuseum oder im SBB Contact Center. Und schliesslich ist wohl auch die Location für das Nachtessen konkurrenzlos: Die Christdemokraten dürfen im Stockalperschloss in Brig speisen.