Das C, stellte Gerhard Pfister (57) anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums der CVP 2012 fest, sei «permanente Heraus- und partielle Überforderung für die Politik». Wer es sich leicht machen wolle, solle «halt in Gottes Namen eine andere Partei wählen».
Vier Jahre später doppelte er als frisch gewählter Parteichef nach. «Ich werde als Präsident alles unternehmen, damit der Name nicht geändert wird», erklärte er 2016. Das C, so Pfister, sei für die CVP eine Chance.
Braucht es das C noch?
Nun rüttelt ausgerechnet dieser Gerhard Pfister am «Christlich» im Parteinamen. Bereits im April wollen die Christdemokraten ihre 80'000 Mitglieder und Sympathisanten zur Zukunft der Partei befragen.
Der konkrete Fragebogen ist noch in Bearbeitung. Doch es soll unter anderem darum gehen, wie sich die CVP künftig als erfolgreiche Mittepartei aufstellen kann – und ob sie das C dazu noch braucht. Im Juni, wenn sich Pfister als Präsident zur Wiederwahl stellt, sollen bereits erste Ergebnisse vorliegen.
Das «C-Papier»
Bei vielen Angeschriebenen dürfte das ein Déjà-vu auslösen. Denn genau vor zehn Jahren führte die CVP bereits eine ähnliche Umfrage durch. Im März 2010 forderte die Partei unter der Führung von Christophe Darbellay (48) die Mitglieder dazu auf, das C zu definieren: Für welche Werte steht der Begriff «christlich»? Und mit welchen Themen soll sich eine christlich dominierte Partei beschäftigen?
Von 20'000 verschickten Fragebögen kamen damals knapp 2500 zurück. Daraus entstanden ist das sogenannte C-Papier, in dem eher vage Werte wie Menschenwürde, Eigenverantwortung, Freiheit und Solidarität skizziert werden.
Sie habe das C-Papier aus aktuellem Anlass wieder hervorgeholt, sagt alt Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz (68), die damals die zuständige Arbeitsgruppe leitete. «Es ist insofern ein Déjà-vu, als dass wir heute wieder über die Bedeutung des C diskutieren», sagt sie.
Einen Unterschied aber gebe es: Der Buchstabe selber sei vor zehn Jahren nicht zur Diskussion gestanden. «Wir konnten mit dem C-Papier in erster Linie aufzeigen, dass wir uns als Partei an Werten und nicht an Ideologien orientieren», so Meier-Schatz.
«Akademische Diskussion»
Beinahe vergessen hat die Basisbefragung die damalige Kommunikationschefin und heutige CVP-Nationalrätin Marianne Binder (61). «Die Diskussion war sehr akademisch geprägt», meint sie rückblickend. Zudem sei es schwierig gewesen, das Ziel der Diskussion zu erkennen.
Heute sei dies anders, ist sie überzeugt: «Die C-Debatte wird geerdeter, fokussierter, öffentlicher und politischer geführt.» Binder selber sieht das christliche Element weder als Chance noch als Bürde. «Ich persönlich hatte nie ein Problem mit dem C», sagt sie. «Aber ich höre immer wieder Leute, die sagen, sie könnten die CVP nicht wählen, weil sie nicht katholisch seien.» Das müsse der Partei zu denken geben.
Zoff ist vorprogrammiert: Während das C für CVP-Bundesrätin Viola Amherd (57) «keine Rolle» spielt, kommen von konservativer Seite her Stimmen, die vor einem Identitätsverlust warnen.
Namensstreit in der CVP-DNA
Der aufflammende Namensstreit gehört zur CVP wie das Amen in der Kirche. Seit der Gründung der Partei ging es immer wieder um die Frage, ob sich die Partei eher eine konfessionelle oder eine politische Identität geben soll.
Die Parteigeschichte ist denn auch geprägt von Namenswechseln: 1912 wurde aus der «Katholischen Volkspartei» die «Konservative Volkspartei». Ab 1957 nannte man sich «Konservativ-Christlichsoziale Volkspartei» – bevor 1970 die heutige «Christlichdemokratische Volkspartei» aus der Taufe gehoben wurde. Auch damals plädierte eine starke Minderheit dafür, das C wegzulassen und sich nur «Volkspartei der Schweiz» zu nennen.
Nur drei von 94 Nationalratssitzen
Bis heute kämpft die Partei mit ihrer religiösen DNA. Auf die katholischen Milieus, die einst die Stammwählerschaft der CVP stellten, kann die CVP immer weniger zählen. Und auch in den traditionell protestantisch geprägten Kantonen gelingt es der Partei nicht, Fuss zu fassen. So konnte sie in den vier grössten Kantonen – Zürich, Bern, Waadt und Aargau – bei den Wahlen bloss drei von 94 Nationalratssitzen erobern.
Diese Erfahrung hat Präsident Pfister zum Umdenken gebracht. Nun äussert sich die CVP-Basis. Es dürfte nicht das letzte Mal sein.