Die Bundesanwaltschaft in der Krise
Lahm, lahmer, Lauber

In der Ära Michael Lauber hat sich die Anzahl Strafuntersuchungen, die bei der Bundesanwaltschaft seit mehr als zwei Jahren hängig sind, mehr als verdoppelt – und das, obwohl mehr Fälle sistiert werden denn je.
Publiziert: 25.11.2018 um 18:54 Uhr
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Aktualisiert: 26.11.2018 um 08:16 Uhr
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Verteidigt Treffen mit Infantino: Bundesanwalt Michael Lauber.
Foto: AFP
Thomas Schlittler und Reza Rafi

Michael Lauber (52) steht unter Beschuss, seit bekannt geworden ist, dass er sich mit Fifa-Präsident Gianni Infantino zu informellen und vor allem nicht protokollierten Gesprächen getroffen hatte (siehe Box).

Die Ära Lauber bedarf jedoch nicht nur wegen der aktuellen Kungelei-Vorwürfe einer kritischen Betrachtung. Auch die nackten Zahlen werfen Fragen auf. Eine Auswertung von SonntagsBlick der vergangenen sieben Jahre bestätigt den Verdacht, dass sich die Verfahren bei der Bundesanwaltschaft stapeln.

Das Ausmass erstaunt: Die Anzahl hängiger Strafuntersuchungen hat sich seit Laubers Stellenantritt im Jahr 2012 von 334 auf 478 Fälle erhöht (plus 43 Prozent). Auffällig ist vor allem die Zunahme von Strafuntersuchungen, die seit mehr als zwei Jahren hängig sind. Dieser Wert hat sich mehr als verdoppelt (siehe Grafik) – obwohl der Bundesanwaltschaft heute ein Drittel mehr Personal zur Verfügung steht als 2012.

Steigerung der Komplexität

Die Bundesanwaltschaft begründet die höheren Fallzahlen in erster Linie mit der Ausweitung der Zuständigkeiten: «Der gesetzliche Auftrag der Bundesanwaltschaft wurde mit der Entwicklung der 
gesetzlichen Grundlagen und der Gerichtspraxis laufend um neue Deliktsfelder und Kompetenzen erweitert.» Als Beispiele nennt eine Sprecherin das Völkerstrafrecht, Börsen- und Insiderdelikte, Cyberkriminalität, Strafbarkeit von Unternehmen und das IS-Gesetz. 
Zudem umfasse der gesetzliche Auftrag auch Massengeschäfte 
(z. B. Falschgeld, Sprengstoff) sowie gefälschte Autobahnvignetten, die einen hohen administra­tiven und teilweise juristischen Aufwand generierten.

Die zunehmende Verfahrens­dauer sei auf die Steigerung der Komplexität der Sachverhalte und der Verfahren zurückzuführen.

Genau hier setzen Kritiker an. Der Zürcher Rechtsanwalt Valentin Landmann (68) etwa hat in diversen Fällen mit der Behörde zu tun – der Hells-Angels-Prozess und der Fall des Spions Daniel M. sind bekannte Beispiele. «Ein guter Staatsanwalt arbeitet zielgerichtet wie ein Schwimmer», sagt Landmann. «Er verfolgt seine Linie und schaufelt die Informationen beiseite, die ihm im Weg sind.» Bei den Bundesanwälten hingegen sei es umgekehrt: «Sie bürden sich mit jedem Schwimmzug hundert neue Aktenordner auf.»

Mit anderen Worten: Laubers Leute hängen sich laut Landmann unnötig in internationale Fälle rein, die einen marginalen Schweiz-Bezug haben und schwierig abzuschliessen sind – Landmann nennt den Petro­bras-Fall. Und sie machen Fälle komplexer, statt sich auf ein Ziel zu konzentrieren. Aktuelles Beispiel sei der Fifa-Komplex: «Es geht um die Frage, ob eine Zahlung von Sepp Blatter an Michel Platini rechtens war oder nicht. Aber dann kommt Lauber und gibt bekannt, dass er neun Terabyte Material beschlagnahmt hat. Um diese Menge an Daten abzuarbeiten, bräuchte ein Jurist 70 Jahre. Wenn ein Staatsanwalt so etwas sagt, dann sagt er: ‹Ich habe keine Ahnung, wonach ich suchen muss.›»

Unnötig Arbeit

Landmanns Fazit: Die Bundesanwaltschaft lädt sich unnötig Arbeit auf. Für Kritik sorgen auch ein­geleitete Strafuntersuchungen, die nach Monaten oder gar Jahren beendet werden, ohne dass es zur Anklage kommt. Die Bundesanwaltschaft streckt Jahr für Jahr öfter die Waffen, die Anzahl sistierter Strafuntersuchungen ist auf einem Höchststand (siehe Grafik).

Ein Grund könnte sein, dass sich die Bundesanwaltschaft mittlerweile fast davor fürchtet, vor das Bundesstrafgericht zu ziehen, wie Insider vermuten. Laut Statistik zog sie in den vergangenen zwei Jahren vor dem Gericht in Bellinzona nämlich oft den Kürzeren. 2016 wurden 16 der 46 von der Bundesanwaltschaft beschuldigten Personen freigesprochen, 2017 waren es 14 von 39.

Ist dies Zufall oder gibt es dafür einen bestimmten Grund? Die Antwort der Bundesanwaltschaft: No Comment.
Valentin Landmann gibt zu bedenken, dass Lauber auch Pendenzen seiner Vorgänger übernehmen musste – und die BA schwierig konstruiert sei: «Die 
Politik hat die Behörde geschaffen und viele Mittel zu Verfügung gestellt. Laubers Leute müssen dafür nach Betätigungsfeldern suchen, um ihren Job zu rechtfertigen.»

Behörde im Gegenwind

Bundesanwalt Michael Lauber (52) steht in der Kritik: Er musste in den letzten Tagen der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA), den Parlamentskommissionen und den Medien Red und Antwort stehen. Grund: 2016 hatte Lauber den damals neu gewählten Fifa-Präsidenten Gianni Infantino (48) zwei Mal persönlich getroffen, während Laubers Behörde in diversen ­Fifa-Fällen Ermittlungen führte. Das ergaben die Recherchen des Netzwerks Football Leaks.
Dazu kommt die Affäre um Laubers Staatsanwalt Olivier Thormann: Es wurde bekannt, dass Thormann Ende Oktober vom Amt suspendiert worden war. Anlass dafür waren möglicherweise strafrechtlich relevante Vorwürfe an Thormann im Zusammenhang mit dem Fussball-Verfahrenskomplex. Die externe Untersuchung durch den ehemaligen Zürcher Staatsanwalt ­Ulrich Weder kam zum Schluss, dass nichts an den Vorwürfen dran war. Trotzdem trennte sich Lauber von Thormann, weshalb der Posten des Chefs Wirtschaftskriminalität bei den Strafverfolgern des Bundes nun vakant ist. Lauber selber verteidigt sich, er habe den Verdacht auf Unstimmigkeiten melden müssen. Er wurde 2012 vom Parlament zum Leiter der Behörde gewählt und hat angekündigt, sich für die Jahre 2020 bis 2023 wieder zur Wahl zu stellen.

Bundesanwalt Michael Lauber (52) steht in der Kritik: Er musste in den letzten Tagen der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA), den Parlamentskommissionen und den Medien Red und Antwort stehen. Grund: 2016 hatte Lauber den damals neu gewählten Fifa-Präsidenten Gianni Infantino (48) zwei Mal persönlich getroffen, während Laubers Behörde in diversen ­Fifa-Fällen Ermittlungen führte. Das ergaben die Recherchen des Netzwerks Football Leaks.
Dazu kommt die Affäre um Laubers Staatsanwalt Olivier Thormann: Es wurde bekannt, dass Thormann Ende Oktober vom Amt suspendiert worden war. Anlass dafür waren möglicherweise strafrechtlich relevante Vorwürfe an Thormann im Zusammenhang mit dem Fussball-Verfahrenskomplex. Die externe Untersuchung durch den ehemaligen Zürcher Staatsanwalt ­Ulrich Weder kam zum Schluss, dass nichts an den Vorwürfen dran war. Trotzdem trennte sich Lauber von Thormann, weshalb der Posten des Chefs Wirtschaftskriminalität bei den Strafverfolgern des Bundes nun vakant ist. Lauber selber verteidigt sich, er habe den Verdacht auf Unstimmigkeiten melden müssen. Er wurde 2012 vom Parlament zum Leiter der Behörde gewählt und hat angekündigt, sich für die Jahre 2020 bis 2023 wieder zur Wahl zu stellen.

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