Sie ist eine der bekanntesten Regierungsrätinnen der Schweiz, erbte einst das Bündner Finanzdepartement von Eveline Widmer-Schlumpf (62), weil diese in den Bundesrat einzog. Sie war dabei, als es zum Ausschluss der Bündner SVP und zur Gründung der BDP kam. Nach knapp elf Jahren muss Barbara Janom Steiner (55) wegen einer Amtszeitbeschränkung ihren Platz räumen. Ab Januar ist Graubünden in Männerhand. Und auch im Parlament sind Frauen nur mit 22 Prozent vertreten.
BLICK: Frau Janom Steiner, haben die Kantone die Frauenförderung verpasst?
Barbara Janom Steiner: Man kann den Kantonen nicht alleine die Schuld geben. Ich war jahrelang Parteipräsidentin der SVP Graubünden und habe versucht, unzählige Frauen für die Politik zu motivieren. Und ich musste einsehen: Frauen sind ab einem gewissen Alter enorm absorbiert – als Mutter, als Pflegeperson für die Eltern, als Berufsfrau oder auch in der Freiwilligenarbeit. Dann auch noch in die Politik einzusteigen, übersteigt das Machbare. Zudem schreckt die Tonalität in der Politik Frauen ab.
Inwiefern?
Der Ton uns gegenüber ist in den letzten Jahren einiges härter geworden. Persönliche Anfeindungen und Angriffe häufen sich, die Hemmschwelle ist auch durch die sozialen Medien tiefer geworden. Man muss viel einstecken. Viele Frauen sagen mir, dass sie schlicht keine Lust haben, sich dem auszusetzen. Zudem hinterfragen sich Frauen viel zu oft, während Männer schneller von sich überzeugt sind. Darum plädiere ich für mehr Selbstbewusstsein!
Dafür braucht es Vorbilder.
Ja, und da sehe ich auch Frauen wie mich in der Pflicht. Ich gehe an Vernetzungsanlässe, versuche, wo ich kann, jungen Frauen die Selbstzweifel zu nehmen. Und trotzdem: Man hat viel gemacht und schafft es nicht, Frauen für gewisse Positionen zu finden. Ich bedaure es sehr, dass es uns nicht gelungen ist, eine Nachfolgerin für mich aufzubauen. Graubünden wird künftig nur von Männern regiert, das ist ein Rückschritt.
Welche persönlichen Abstriche haben Sie für Ihre Karriere gemacht?
Ich habe keine Kinder. Ich habe einen Mann und eine Katze – und die sind beide sehr selbständig (lacht). Man kann noch so lange sagen, dass es lediglich eine Frage der Rahmenbedingungen und Organisation sei: Eine Regierungsrätin ist derart absorbiert, dass Familie und Freunde zu kurz kommen. Neben dieser Aufgabe noch Kinder aufzuziehen, ist sicher sehr schwierig. Ich verstehe jede Frau, die in den betreuungsintensiven Jahren der Kinder ihre Zeit nicht in der Spitzenpolitik verbringen will.
Wenn eine Frau zwei, drei Kinder bekommt und einige Jahre für sie da ist, schafft sie den Einstieg fast nicht mehr. Sei es in der Wirtschaft oder Politik.
Auch das ist ein grosses Problem. Wir brauchen dringend eine Aufwertung der «Mutterjahre». Eine Mutter ist eine Topmanagerin, die Zeit der intensiven Familienbetreuung sollte im Lebenslauf nicht zur Pause degradiert werden. Vielmehr sollte das als Berufserfahrung geschätzt werden. Denn klar ist: Wir brauchen die Frauen dringend auf allen Ebenen der Politik, denn Frauen haben eine etwas andere Sensibilität und Art ein Thema anzugehen. Und diese Denkweise bereichert die Politik.