Die BLICK-Wahlempfehlung
Wer rein muss – wer raus muss

In diesen Tagen flattert das Wahlmaterial in die Briefkästen. Die BLICK-Politik-Redaktion sagt, wer frischen Wind ins Parlament bringt. Und für wen es Zeit ist, abzudanken.
Publiziert: 21.09.2015 um 18:57 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 19:35 Uhr
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Muss rein: Christine Bussat, BDP/VD
Foto: KEYSTONE

Wer rein muss:

Die Überzeugungstäterin: Christine Bussat, BDP/VD
Immer wieder muss sich die BDP den Vorwurf gefallen lassen, dass sie kein klares Profil habe. Mindestens so ärgerlich für die Widmer-Schlumpf-Partei ist auch der Vorwurf, dass ihr Charakterköpfe fehlen. Denn er stimmt! Neben der Bundesrätin, Nationalrat Hans Grunder und Präsident Martin Landolt fehlen den Schwarz-Gelben national bekannte Gesichter. Ihre Waadtländer Kandidatin Christine Bussat (44) hat mit ihrem Verein Marche Blanche praktisch im Alleingang zwei Volks­initiativen lanciert und gewonnen. 2008 stimmte die Bevölkerung dem Anliegen für die Unverjährbarkeit von pornografischen Straftaten an Kindern zu. 2014 triumphierte sie mit der Pädophilen-Initiative. Beide Anliegen sind zwar schwierig umzusetzen, doch sie weiss die Bevölkerung hinter sich. Ihre Kämpfe focht sie mit der SVP aus. Aber sonst ist ihr die Partei zu radikal, erklärte sie. Mit Bussat könnte die BDP in der Romandie Fuss fassen und ihren sehr tiefen Frauenanteil in der Fraktion erhöhen. Der Wähler bekommt mit ihr eine Überzeugungstäterin, die in Bern bereits gut vernetzt, aber vom Parlamentsbetrieb nicht abgenutzt ist. Zudem kann sie mit einem angenehmen Auftritt punkten. Christof Vuille

Der Erbprinz: Roger Köppel, SVP/ZH
Dieser Mann braucht keinen Werbespot. Sein Einzug in den Nationalrat ist so sicher wie der Schweizerpsalm am SVP-Parteitag. Trotzdem sei darauf hingewiesen, warum es gut ist für die Schweiz, wenn der «Weltwoche»-Verleger bald in Bern mitredet. Drei Gründe: Erstens zählt Roger Köppel (50) zu den brillantesten politischen Köpfen der Schweiz. Mit ihm steigen Niveau und Unterhaltungswert der Debatten. Zweitens wird ein Makel der SVP-Politik behoben, der mit Blochers Rücktritt entstanden ist: Die wichtigsten Denker der Partei (Blocher und Köppel) stehen abseits der Institutionen. Drittens hat Köppel lange genug den neokonservativen Protestlied-Sänger und politisch-moralischen Scharfrichter gegeben. Nun soll er beweisen, dass ihm gelingt, was anderen ach so bös missriet, dass er ohne Schuld bleibt, wo andere angeblich sündigten. Christoph Lenz

Der Alpen-Sozi: Jon Pult, SP/GR
«Schaffen wir mehr Demokratie!», heisst das Büchlein, das der Bündner SP-Kantonalpräsident und Grossrat Jon Pult (30) vor fünf Jahren mit vier Genossen herausgegeben hat. Darin erklärt er, wie die SP die Deutungshoheit erobern und wieder näher zu den Leuten finden soll. Darin steht der einfache Satz: «Die Leute müssen mit uns auch ein Bier trinken wollen.» Pult ist so einer. Einer, mit dem man gerne ein Bier trinkt. Einer, der klare Standpunkte vertritt und diese an den Mann bringt. Der Historiker ist ein brillanter Redner, der sich nicht in Akademiker-Geschwurbel verliert. In Graubünden gehört Polittalent Pult zu den alten Hasen. Und mittlerweile hat sich der Alpen-Sozi auch national einen Namen gemacht. 2013 kämpfte er an vorderster Front gegen die Olympischen Winterspiele 2022 im Kanton – und siegte. Seit 2014 ist er Präsident der Alpen-Initiative – und damit das Gesicht der Gegner einer zweiten Gotthardröhre. Bereits jetzt wird Pult als möglicher SP-Präsident gehandelt, wenn Christian Levrat dereinst zurücktritt. Doch dafür muss Pult den Sprung nach Bern schaffen. 2011 fehlten ihm bloss 264 Stimmen für das Mandat, welches ihm die GLP vor der Nase wegschnappte. Ruedi Studer

Der Digitale: Marcel Dobler, FDP/SG
«Nichts ist so beständig wie der Wandel.» Mit der Aussage von Heraklit versuchte Gerhard Schröder, die Deutschen auf Veränderungen einzuschwören. Auch die Schweiz im Jahr 2015 muss sich dem Wandel auf der Welt stellen. Darum brauchen wir im Parlament Leute, die davon etwas verstehen. Einer, der schon Neues geschaffen hat, ist Marcel Dobler (34). Er will für die FDP im Kanton St. Gallen in den Nationalrat. Dobler musste zusammen mit seinen Jugendfreunden Sackgeld verdienen und fing an, mit Computern und Zubehör zu handeln. Aus der Idee von ein paar Gamern entstanden die Online-Läden Digitec und Galaxus. Dobler verkaufte seinen Anteil am Geschäft der Migros und wurde Millionär. In Zukunft muss sich die Schweizer Wirtschaft stärker auf das Digitale ausrichten. Gut zu wissen, wenn im Parlament Leute sitzen, die aus eigener Erfahrung wissen, worauf es dabei ankommt. Matthias Halbeis

Die Mutige: Babette Sigg Frank, CVP/ZH
Die CVP hat als Zentrumspartei oft Mühe, zu wichtigen Fragen eine einheitliche Posi­tion zu finden. Doch das macht nichts. Dass die Mitte mal nach links und mal nach rechts neigt, liegt in ihrer Natur. Kaum eine Politikerin legte sich in der letzten Legislatur dermassen mutig und offen mit der Parteileitung an wie Babette Sigg Frank (53), die Präsidentin der CVP Frauen. Es ging um die SVP-Familien-Initiative – für die C-Partei ein Kernthema. Sie spürte dabei die Parteibasis besser als ihr Chef Christophe Darbellay. Als dieser trotz Nein der Delegiertenversammlung für die Initiative weibelte, warf sie ihm «mangelndes Demokratieverständnis» vor. Der Mode-Designerin hat dieser Streit kaum geschadet – das Volk folgte ihrer Nein-Parole und sie markierte Standhaftigkeit. Als Präsidentin des Konsumentenforums kennt die Zürcherin auch die Anliegen der Wirtschaft. Christof Vuille

Wer raus muss:

Der Verfilzte: Jean-René Fournier, CVP/VS
Bei manchen Politikern ist nicht ganz klar, wen sie vertreten: Das Volk oder ihre Geldgeber? Zu dieser Gattung gehört der Unterwalliser CVP-Ständerat Jean-René Fournier. Der 57-Jährige ist gemäss Auswertung des Forschungs­­in­stituts Sotomo der verfilzteste Politiker der Schweiz. So sitzt er im Verwaltungsrat des Versicherers Helvetia und kassiert dafür 120 000 Franken. Dazu kommen 25 000 Franken von der Credit Suisse, für die er als Senior Advisor arbeitet. Da noch zu behaupten, «komplett unabhängig» zu sein, braucht schon eine Portion Mut. Die Walliser sollten derweil den Mut haben, Fournier den Weg nach Bern künftig zu ersparen. Die Gefahr ist zu gross, dass dermassen abhängige Politiker primär an ihre Geldgeber denken und nicht an die Wähler. Christof Vuille

Der Überfällige: Alexander Tschäppät, SP/BE
Ende 2016 nimmt Alexander Tschäppät (63) den Hut als Stadt­präsident von Bern. Im Nationalrat möchte er aber nochmals eine Legislatur anhängen. Tschäppät träumt von einer Ehrenrunde. Doch gibt es keinen Grund, ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Tschäppäts Bundeshaus-Bilanz der letzten vier Jahre ist niederschmetternd: Keine Erfolge, keine Themen, keine Impulse. In der Fraktion, wo es immer Aufgaben für Silberrücken gibt, ist Tschäppät quasi inexistent. Am Rednerpult ein äusserst seltener Gast. Diese Bummelei erstaunt umso mehr, weil Tschäppät vor vier Jahren wie ein junger Muni darauf gedrängt hatte, zur Nationalratswahl zugelassen zu werden. Die Berner SP musste sogar ihre heilige Regel ausser Kraft setzen, wonach keine Doppelmandate möglich sind. Tschäppät dankte es der Partei, indem er sich eine Narrenkappe überzog und Italienerwitze zum Besten gab. Und als Kritik laut wurde, gab sich das Stadtoberhaupt betupft. Kurzum: Tschäppät hat es sich mit zu vielen Wählern verscherzt. Die Chance für einen geordneten Rückzug hat er sausen lassen. Jetzt hilft nur noch die Abwahl. Christoph Lenz

Der Potentatendiener: Christian Lüscher, FDP/GE
Scharfsinnig, eloquent, geschmeidig. Es ist gar nicht lange her, da war er ein echter Hoffnungsträger der FDP. 2009 schaffte der Genfer Anwalt Christian Lüscher (51) sogar beinahe den Sprung in den Bundesrat. Man muss froh sein, hat die Bundesversammlung damals Didier Burkhalter gewählt. Dem talentierten Herr Lüscher mangelt es nämlich an einer wichtigen Begabung. An jener, Unvereinbarkeiten von privaten und öffentlichen Mandaten zu erkennen. Zum einen nimmt Politiker Lüscher in Kommissionen Einfluss auf die Gesetzgebung zu Geldwäscherei und Potentatengeldern. Zum anderen dient Anwalt Lüscher Klienten, gegen die wegen solcher Finanzdelikte ermittelt wird (Abache, Chrapunow). Ein No-go. Hinzu kommt, dass vom Genfer nur ein Vorstoss aus den letzten vier Jahren in Erinnerung geblieben ist. Lüscher forderte, die Schrauben für Kleinstdealer anzuziehen. Drogenhandel solle immer mit mindestens drei Monaten Freiheitsentzug bestraft werden, egal, wie klein die verkaufte Menge war. Hart gegen kleine Fische, hilfsbereit bei grossen Tieren – das ist Lüschers Kernformel. Bern braucht sie nicht. Christoph Lenz

Die Opportunistin: Pascale Bruderer, SP/AG
Die Aargauer SP-Ständerätin Pascale Bruderer wird wohl im Amt bestätigt, obwohl sie im Wahljahr opportunistisch Kernanliegen der eigenen Partei torpedierte. So bekämpfte die 38-Jährige etwa die linke Erbschaftssteuer-Initiative. Die Begründung, die Initiative greife in die Kompetenz der Kantone ein, überzeugt nicht. Was Bruderer wohl eigentlich dachte: Ich will es mir mit den bürgerlichen Wählern nicht verscherzen. Sich für Behinderte einsetzen und gegen Schmuggel geschützter Wildtiere kämpfen, ist so löblich wie weitherum unbestritten. Doch wer Kern-Anliegen der SP feige links liegen lässt, ist in der falschen Partei – oder gehört nicht nach Bern. Joël Widmer

Der Sesselkleber: Max Reimann, SVP/AG
Eines kann man Maximilian Reimann nicht vorwerfen. Nämlich, dass er eine lahme Ente ist. 18 Vorstösse hat der Mann aus Gipf-Oberfrick AG, der sich als Stimme der Senioren im Bundeshaus versteht, allein 2015 eingereicht. Zwei pro Monat! Man könnte das als Beweis für gesunde Schaffenskraft deuten. Doch die Sache liegt anders: Der 73-jährige Reimann wirft mit Vorstössen um sich, weil er um seine Abwahl fürchtet. Er klammert sich an sein Amt. Obwohl er schon seit 28 Jahren in Bern politisiert. Obwohl er schon Mandatsentschädigungen von über drei Millionen Franken eingesteckt hat. Obwohl die Welt 1987, als er erstmals im Nationalratssaal Platz nahm, noch eine andere war. Nun ist es an den Wählern, dafür zu sorgen, dass frische Kräfte aus dem Kanton Aargau – auch frische Seniorenvertreter – an seiner Stelle nach Bern kommen. Christoph Lenz

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