Die beiden Quereinsteiger stellen sich vor den Wahlen dem Publikum
Köppel besiegt Guldimann

Es war für «BLICK-on-tour» als Duell zwischen zwei grossen Schweizer Intellektuellen geplant, am Schluss war es ein Heimpiel von Roger Köppel (SVP).
Publiziert: 02.10.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 00:23 Uhr
Von Matthias Halbeis, Gabriela Battaglia (Text) und Joseph Khakshouri (Fotos)

Gestern Abend debattierten er und Tim Guldimann (SP) in der Züri-Arena an der Züspa. Die nicht ganz einfache Aufgabe, die Diskussion der beiden Alphatiere zu leiten, fiel Ringier-Publizist Hannes Britschgi zu.

Köppel kandidiert bei der SVP im Kanton Zürich für den Nationalrat – als Quereinsteiger. Genauso wie es der Ex-Spitzendiplomat Guldimann für die SP tut.

Dass beide gute Redner sind, war keine Überraschung. Es stellte sich aber schnell heraus, dass Köppel die Transformation zum Politiker schon viel besser gelungen ist. Und: Er spielte auf der ganzen Klaviatur, die in politischen Debatten genutzt werden kann. So bezichtigte er Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga «der perspektivischen Wahrheit», nachdem er erklärt hatte, in der Politik werfe man niemandem «Lüge» vor. Köppel scheute sich auch nicht, sich ein wenig von SVP-Bundesrat Ueli Maurer zu distanzieren – «schliesslich haben sich schon andere Leute im Amt als Bundesrat völlig verändert».

Dagegen blieb Guldimann eher blass. Zeigte sich erschrocken über die Wahlkampfrhetorik Köppels, fand dessen Aussagen «daneben». Kurz: Er war mehr Dozent, der mit viel Wissen und Erfahrung dem

Publikum zu erklären versuchte, warum Köppel falsch liege. Allerdings blieb er bei den vielen Köppel-Fans ohne Erfolg.

Die Flüchtlings-Krise in Europa

Als Erstes wollte Gesprächsleiter Hannes Britschgi von beiden Nationalratskandidaten eine Einschätzung zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel: Nobelpreiskandidatin oder Schlepperkönigin? Für Guldimann war die Ansage der offenen Tür für Flüchtlinge wichtig, ein Zeichen für die humanitäre Tradition Deutschlands. Er versuchte auch die Zahl von einer Million Flüchtlinge, mit denen unser Nachbarland dieses Jahr rechnet, in einen Kontext zu stellen: Es seien schliesslich nur dreimal mehr pro Einwohner als hier in der Schweiz.

Demgegenüber zeigte sich Köppel überzeugt, dass Merkel mitgeholfen habe, dass die Situation ausser Kontrolle geraten sei. Darum rieben sich die Schlepper nun die Hände. Es kämen Leute, für die das Asylrecht gar nicht vorgesehen sei. Für Köppel ist klar: «Wir sind mit einem massenhaften Missbrauch des Asylrechts konfrontiert.» Er wolle dieses aber schützen. Und: Weil Deutschland nun überfordert sei, müssten Flüchtlinge nun über alle Länder verteilt werden. Diese hätten dazu aber nichts zu sagen.

Guldimann versuchte zu kontern: Die EU versuche zurzeit eine gemeinsame Haltung zu entwickeln. Es gehe darum, das Schengen-Dublin-System zu retten. Und genau davon hätte gerade die Schweiz in der Vergangenheit klar profitiert.

- Punkt für Roger Köppel

Das Schweizer Asylwesen

Wenig überraschend erneuerte Köppel die Kritik der SVP: In der Schweiz herrsche Asylchaos. Der Missstand sei gross. Wer einen abschlägigen Asylentscheid erhalte, müsse nicht ausreisen, sondern lande direkt in der

Sozialhilfe. Und es kämen nicht Leute, die als Person gefährdet seien, sondern Wirtschaftsflüchtlinge. Dabei verwies er auf die hohe Zahl der Eritreer in der Schweiz, die trotz Asylentscheid ins Heimatland reisten. Er stellt auf Aussagen von Gemeindepräsidenten ab, die Bescheid wüssten. Köppel war aber wichtig, zu betonen, dass Kriegvertriebene Schutz erhalten sollten. Am besten vor Ort.

Guldimann konterte hier mit einem gelungenen Punkt. Nicht zur Freude des Publikums: «Von einem Asylchaos zu sprechen, ist etwa so sinnvoll, wie wenn wir die Arbeitslosigkeit in der Schweiz als Massenarbeitslosigkeit bezeichneten.» Von einem «Asylchaos» zu sprechen sei schlicht «daneben». Er wies darauf hin, dass Eritrea das Nordkorea Afrikas sei. Ein Land, das gebeutelt sei von Gewaltherrschaft. Er fand es falsch, dass die «Weltwoche» dem Honorarkonsul Eritreas überhaupt Platz eingeräumt habe, um ein anderes, falsches Bild zu zeichnen.

Während Guldimann klar für eine Beteiligung am Flüchtlingsverteilschlüssel votierte, war Köppel dagegen. Der Ex-Spitzendiplomat wies darauf hin, wie viel Interesse die Schweiz an einer Lösung haben müsse. Es sei eine Illusion, dass man das Flüchtlingsproblem von der Schweiz fernhalten könne. Gleichzeitig signalisierte auch er – so wie Köppel vorher – dass er für eine effektive Bekämpfung des Asylmissbrauchs eintrete.

- Punkt für Tim Guldimann

Die Motivation als Quereinsteiger

Zum Ende der Debatte wollte Moderator Hannes Britschgi von beiden wissen, warum sie denn in die Politik wechseln wollten. Guldimann, der in Berlin wohnt, will die Auslandschweizer im Bundeshaus vertreten – gar nicht zur Freude des Publikums. Er wolle seine Erfahrung einbringen, auch den Blick von aussen. Zeit habe er als Rentner.

Prompt reagierte Köppel darauf: Er habe eigentlich keine Zeit, er wolle sich weiterhin um seine Zeitung kümmern und seine junge Familie sehen. «Ich muss inzwischen ‹Papi hat euch lieb› auf meine Wahlplakate schreiben und sie zu Hause aufhängen, damit mich meine Kinder überhaupt noch kennen.» Er habe in den letzten Jahren festgestellt, dass sich vieles in der Schweiz in die falsche Richtung entwickle. Denn in Bern baue eine Mitte-links-Mehrheit den Staat immer weiter aus und gebe wichtige Errungenschaften der Schweiz preis.

- Punkt für Roger Köppel

Die Schweiz und ihr Verhältnis zur EU

Bei der Diskussion zum Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU provozierte Köppel mit der Aussage, der Schweiz und ihrer Bevölkerung gehe es nur so gut, weil sie nicht EU-Mitglied sei. Ihm sei diese Unabhängigkeit zentral. Guldimann fand die Aussagen «erschreckend», sprach von «Stuss», mit dem man aufhören solle: «Wir sind mit Europa verbunden.» Er kritisierte Köppel und die SVP, dass sie die funktionierenden Beziehungen mit der EU mit der Einwanderungs-Initiative gestört hätten. Für Guldimann ist klar: Die nun herrschende Verunsicherung werde noch grösser, wenn man die Beziehungen mit der EU nicht normalisieren könne. Es drohe die Gefahr, dass dann noch mehr Investitionen ausblieben und noch mehr Arbeitsplätze verloren gingen.

Köppel warf Guldimann sogleich Angstmacherei vor. Und rief ihm in Erinnerung, dass er – sollte er gewählt werden – dann als Nationalrat einen Eid leisten müsse, das Recht des Volkes zu schützen. Für Köppel zeigt die bisherige Entwicklung, dass die Schweiz nichts befürchten müsse und der Bundesrat bei der Umsetzung der Initiative auf Arbeitsverweigerung mache.

- Punkt für Roger Köppel

Die Haltungsnoten

Roger Köppel (SVP)
Der «Weltwoche»-Verleger begann angespannt – verkniffene Lippen, gespannte Muskeln. Er ging sogleich zum Angriff über, was vom Publikum mit Szenenapplaus honoriert wurde. Danach entspannte sich Köppel sichtbar, schaltete zurück, streute Witze ein und erntete Lacher. Gegenüber Guldimann gab er sich grosszügig, nahm ihn von Grundsatzkritik aus. Und: Anders als in deutschen Talkshows sprach Köppel eingefärbtes Hochdeutsch.

Tim Guldimann (SP)
Der Ex-Spitzendiplomat war zeitig da und wirkte ein wenig nervös. Zu Beginn war er hochkonzentriert, versuchte mit Erklärungen zu beschwichtigen. Je länger es dauerte, desto mehr kapitulierte er vor der Stimmung und vor Köppels Schwung. Seinem Kopfschütteln zufolge fühlte er sich immer weniger verstanden. Guldimann sprach so geschliffen hochdeutsch, dass man in ihm kaum einen Schweizer vermutet hätte – was ihm beim Publikum nicht half.

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