Deutschland
2,4 Milliarden Euro für Kindergrundsicherung in Deutschland

Nach monatelangen Diskussionen hat die deutsche Regierung sich bei dem Streitthema Kindergrundsicherung geeinigt.
Publiziert: 28.08.2023 um 13:32 Uhr
Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, und Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, geben Pressekonferenz zur Vorstellung der Einigung der Koalition über die Eckpunkte der Kindergrundsicherung. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Foto: KAY NIETFELD

Zum Teil seien es «wirklich sehr harte Verhandlungen» gewesen, sagte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) bei der Vorstellung der Ergebnisse am Montag in Berlin. «Aber es hat sich gelohnt.»

Laut Paus werden für die Einführung der Kindergrundsicherung im Jahr 2025 zunächst 2,4 Milliarden Euro Mehrkosten veranschlagt. Bis zu 5,6 Millionen armutsbedrohte Familien und ihre Kinder bekämen die Leistungen schneller, einfacher und direkter. Darunter seien Millionen, die vorher nicht wussten, dass sie ihnen zustehen. Das Ergebnis sei die umfassendste Sozialreform in Deutschland seit vielen Jahren.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten Sozialdemokraten (SPD), Grüne und FDP vereinbart, eine Kindergrundsicherung einzuführen. Bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag sollen darin gebündelt werden. Durch mehr Übersichtlichkeit und mithilfe einer zentralen Plattform sollen auch viele Familien erreicht werden, die bisher wegen Unkenntnis oder bürokratischer Hürden ihnen zustehende Gelder nicht abrufen.

Finanzminister Christian Lindner von der liberalen FDP geht davon aus, dass der Staat nach der Kindergrundsicherung mehrere Jahre keine weitere grosse Sozialreform mehr finanzieren kann. Die Kindergrundsicherung werde 2025 rund 400 Millionen Euro mehr kosten als bisher geplant.

«Das erhöht den Handlungsbedarf, den wir im Haushalt 2025 haben werden, weiter», sagte er. «Weshalb ich die Prognose wage, dass es sich bei der Kindergrundsicherung mit Blick auf die nächsten Jahre um die letzte grössere Sozialreform handelt, die noch in den Haushaltsrahmen des Bundes passt.»

Grüne und FDP hatten monatelang heftig über die Finanzierung gestritten und sich in der Nacht zum Montag schliesslich geeinigt. Familienministerin Paus wollte zuerst 12 Milliarden Euro pro Jahr für das Vorhaben. Finanzminister Lindner nannte als «Merkposten» eine Summe von nur 2 Milliarden Euro.

Linder sprach nach der Einigung davon, dass es keine generellen Leistungsverbesserungen für Eltern geben werde, die nicht erwerbstätig seien. Der beste Weg, Armut zu überwinden, sei Arbeit.

Am Sonntagabend waren der sozialdemokratische Kanzler Olaf Scholz, Paus und Lindner zu Gesprächen im Kanzleramt zusammengekommen. Gegen Mitternacht wurde bekannt, dass man sich bei der Kindergrundsicherung zusammengerauft hat. Lindner hatte zuvor im ZDF-"Sommerinterview» gesagt, dass er mit einer schnellen Einigung auf Eckpunkte rechne. Danach würden Verbände und Länder beteiligt, und erst dann werde es einen fertigen Gesetzentwurf geben, der an den Bundestag gehe.

Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich wies darauf hin, dass noch Änderungen im parlamentarischen Verfahren möglich seien. Parlament und auch SPD-Fraktion würden das ein oder andere am Gesetzentwurf möglicherweise «präzisieren», sagte Mützenich am Montag im ARD-"Morgenmagazin».

Bundeskanzler Scholz begrüsste die Verständigung, wie der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner sagte. Scholz sei sich sicher gewesen, bis Ende August zu einer Einigung zu kommen, und das sei so gelungen.

Kinderschutzorganisationen sind hingegen unzufrieden mit der Einigung. «Das, was die Bundesregierung vorschlägt, ist enttäuschend. Das ist keine Kindergrundsicherung», kommentierte die Präsidentin des Kinderschutzbundes, Sabine Andresen.

Auch das Deutsche Kinderhilfswerk befand, dass die Einigung hinter den Erwartungen zurückbleibe. Zwar gehe es endlich einen Schritt vorwärts mit der Einigung, sagte der Präsident der Organisation, Thomas Krüger. «Die Kindergrundsicherung ist aber nach jetzigem Planungsstand nicht der erhoffte grosse Wurf, der die Kinderarmut in Deutschland umfassend und nachhaltig beseitigt», urteilte Krüger.

Familienministerin Paus gestand ein, dass sie sich ursprünglich mehr erhofft hatte. Es sei kein Geheimnis, dass sie im Einklang mit sehr vielen Wissenschaftlern und Verbänden «einen noch grösseren Schritt im Kampf gegen Kinderarmut für notwendig erachte», sagte sie. «Aber mit dem heutigen Tag wird uns der Paradigmenwechsel im Kampf gegen Kinderarmut gelingen.»

(SDA)

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?