«60 bis 70 Prozent der Fläche ist in Schweizer Hand»
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Deutscher Bauer schlägt Alarm:«60 bis 70 Prozent der Fläche ist in Schweizer Hand»

Deutscher Landwirt schlägt Alarm wegen Schweizer Schnäppli-Bauern
«Die Schweizer gefährden meine Existenz»

Der deutsche Landwirt Norbert Mayer kämpft um seine Existenz – wegen Schweizer Bauern. Diese kaufen günstig Land im deutschen Grenzgebiet und bringen ihre Produkte zollfrei in die Schweiz. Nun werden deutsche Politiker aktiv.
Publiziert: 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 07:48 Uhr
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Ein Regenbogen trifft auf den Acker, auf dem der deutsche Landwirt Norbert Mayer steht.
Foto: Kim Niederhauser

Auf einen Blick

  • Ein altes Abkommen sorgt für Streit zwischen deutschen und Schweizer Bauern im Grenzgebiet
  • Schweizer Bauern würden seine Existenz gefährden, klagt Landwirt Norbert Mayer aus Stühlingen (D)
  • Schweizer bewirtschaften 5700 Hektar Land in Süddeutschland
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Der Himmel über Stühlingen (D) ist düster. Kalter Wind schlägt den Regen ins Gesicht von Landwirt Norbert Mayer (60). Das Ende eines Regenbogens trifft auf den Acker hinter ihm. Dort wartet allerdings kein versteckter Goldtopf auf ihn – sondern Land eines Schweizer Bauers, das an sein eigenes grenzt. Und für finanzielle Nöte sorgt.

In der grenznahen Kleinstadt herrscht dicke Luft zwischen deutschen und Schweizer Landwirten. «Es gibt einige, die kriegen einfach den Hals nicht voll», schimpft Mayer über seine Schweizer Berufskollegen. Sie werden gerne als Schnäppli-Bauern bezeichnet: Jenseits der Grenze kaufen sie günstig Land, importieren die Produkte in die Schweiz und verkaufen sie hier zu deutlich höheren Preisen.

Möglich macht das ein Abkommen von 1958. Landwirtinnen und Landwirte aus beiden Ländern dürfen Waren aus einem zehn Kilometer breiten Grenzstreifen zollfrei ins eigene Land bringen. Für deutsche Bauern lohnt es sich allerdings kaum, Flächen in der Schweiz zu bewirtschaften. Währenddessen schlagen Schweizer Landwirte Profit: Das Land in Deutschland ist deutlich günstiger als in der Schweiz, gleichzeitig lässt sich die Ware hier zu höheren Preisen verkaufen. 5700 Hektar Land bewirtschaften sie mittlerweile in Süddeutschland.

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«Gelddruckmaschine für Schweizer»

«Das geht jetzt schon seit Jahrzehnten so», klagt Mayer. «Für die Schweizer ist dieses Abkommen eine Gelddruckmaschine.» Besonders ärgerlich: Obendrauf könnten die Schweizer auch noch EU-Subventionen kassieren. «Mit den Preisen, die sie für Land zahlen, können wir einfach nicht mithalten.»

Die Folge: Mayer verliert immer mehr gepachtetes Land an Schweizer. Kommenden Herbst muss er erneut 7,5 Hektar Ackerland abtreten. «Die Schweizer gefährden meine Existenz.» Schon jetzt müsse er Rohstoffe für seine Biogasanlage bei anderen Bauern einkaufen. Jeden Tag könne ein Verpächter anrufen und ihm mitteilen, dass er weiteres Land abgeben müsse, erzählt Mayer – weil die Schweizer Bauern dem Verpächter mehr Geld dafür bieten. «Davor habe ich Angst. Wie es dann weitergeht, weiss ich nicht.»

Deutsche Politiker wollen Grenzen setzen

Nun haben auch deutsche Politikerinnen und Politiker genug von den Schnäppli-Bauern. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner (38) will national und seine Parteikollegin Sabine Hartmann-Müller (62) regional Druck machen.

Für Deutsche und Schweizer sollen die gleichen Bedingungen gelten, fordern die Politiker. Heute können Schweizer Landwirte etwa unbegrenzt Ware in die Schweiz bringen, während es für Deutsche Landwirtinnen eine Mengenbegrenzung gibt. Pro Tag dürfen sie nur rund 100 Kilogramm der Produkte zoll- und abgabenfrei in die Schweiz bringen. Für Hartmann-Müller kommen auch striktere Preiskontrollen und neue Regeln zum Schutz des landwirtschaftlichen Bodenmarktes infrage. 

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«Deutsche würden genau dasselbe machen»

Auf Schweizer Seite sieht man das etwas gelassener. «Jeder Vertrag braucht immer zwei Unterschriften. Die Deutschen verkaufen ihr Land ja freiwillig an uns», sagt Christoph Graf, Präsident des Schaffhauser Bauernverbandes. Sein Kanton besitzt in Deutschland besonders viel Land – jeder vierte Schaffhauser Landwirt ist im Nachbarland aktiv. «Wenn die wirtschaftliche Lage umgekehrt wäre, würden die Deutschen genau dasselbe machen.»

Blick hat auch Schweizer Bauern in der Region konfrontiert. Am Telefon liess einer deutlich durchblicken, dass er von den Vorwürfen der Deutschen überhaupt nichts hält. Äussern wollte er sich aber nicht.

«Meinen Henker grüsse ich nicht»

Im Büro unter der Biogasanlage blättert Mayer durch einen Ordner voller Zeitungsartikel und Dokumente. Er erzählt schnell, die Rechtslage und viele Daten kennt er in- und auswendig. Schon seit Jahrzehnten beschäftigt ihn die Schweizer Landnahme – ein Begriff, der sich unter deutschen Bauern eingebürgert hat. Ob er nach all den Jahren die Hoffnung verloren habe? «Natürlich hat man die verloren. Aber die Flinte ins Korn werfen kann ich trotzdem nicht.»

Fotos zeigen ihn als jungen Landwirt, wie er an Demos protestiert. Auch eine einstweilige Verfügung hat er aufbewahrt. Er hatte sie erhalten, als er mit einer Gruppe deutscher Bauern einen Schweizer bei der Feldarbeit behindert hatte. «Natürlich ohne Gewalt», hält Mayer fest. Der Konflikt schwelt bis heute: Mit einigen Schweizern, die hier ein Stück Land haben und dabei bleiben, habe er zwar ein gutes Verhältnis – auf die anderen, «die uns hier immer in die Quere kommen», ist er nicht gut zu sprechen. «Meinen Henker grüsse ich nicht», sagt Mayer. 

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