BLICK: Herr Luthe, heute entscheidet das Schweizer Parlament darüber, ob die Knebelverträge, mit denen Buchungsportale wie Booking.com die Hotels an sich binden, verboten werden sollen. Deutschland ist da schon weiter. Was ist der Stand?
Markus Luthe: Als Vertreter der Hotellerie ist man David im Kampf gegen Goliath. Wobei wir als David erstaunlich viele Erfolge haben. Aber wir hatten auch Partner: In Deutschland hat die Kartellbehörde die Bestpreis-Klauseln der Plattform HRS schon 2013 für wettbewerbswidrig erklärt, worauf wir auch um Ermittlungen gegen Booking.com und Expedia gebeten haben. Seit 2016 darf auch Marktführer Booking.com diese Klauseln nicht mehr anwenden. Allerdings ist der Streit noch nicht entschieden, denn Booking.com wehrt sich vor Gericht dagegen.
Deutsche Hotels dürfen seit 2016 auf der eigenen Website wieder günstigere Preise anbieten als bei Booking.com. Was hat das gebracht?
Die ersten Untersuchungen zeigen, dass die Hotels wieder dabei sind, die Preisführerschaft zu übernehmen. So hat ein Preisvergleichsportal ermittelt, dass es in 76 von 100 Fällen den günstigsten Preis für Direktbucher gab. Obwohl die Portale die Preispolitik noch immer überwachen und fast täglich E-Mails an die Hotels schicken. Früher waren dies Verwarnungen, heute nennen sie es «Empfehlungen zur Optimierung des Preisverhaltens». Für mich ist es Stalking.
Hat sich denn seit dem Verbot der Knebelverträge etwas am Marktanteil der Portale geändert?
Ja. Der Marktanteil der Portale hat allen gerichtlichen Unkenrufen zum Trotz weiter zugelegt, allen voran jener des eindeutigen Platzhirsches Booking. Das zeigt: Das Verbot beeinträchtigt das Geschäftsmodell dieser Seiten überhaupt nicht.
Ich finde die Portale super: Ich bekomme eine Übersicht über die verfügbaren Zimmer, die Lage und Bewertung des Hotels, kann direkt buchen und bis zum letzten Moment stornieren.
Bequem ist es für Sie, das stimmt. Aber ist es auch das Beste? Zuerst ein Wort zu den Bewertungen: Wenn Sie denen blind vertrauen, ist das leider etwas naiv. Den Empfehlungs-Daumen zum Beispiel kann man als Hotel hinzubuchen. Kostet drei Prozent mehr Provision. Das macht gut die Hälfte aller Hotels, weil es ihnen hilft, die Zimmer zu verkaufen. Wirklich negativ für den Konsumenten ist aber die Marktmacht der Portale. In Deutschland erfolgt heute jede vierte Buchung über Booking und Co. Drei grosse Portale teilen sich 96 Prozent des Marktes. Dort findet kein Wettbewerb mehr statt. Hotels, die freie Unternehmer sind, werden wie Franchisenehmer behandelt. Auch für den Kunden ist das schlecht.
Warum?
Weil wegen der Provisionen, die das Hotel an Booking und Co. zahlen muss, die Zimmerpreise steigen. Und die Provisionen gehen geradezu durch die Decke. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, als es acht und zehn Prozent waren. Heute zahlt ein Hotel 15 Prozent. Bei einer Direktbuchung sind die Spielräume des Hoteliers grösser. Also kann er dem Gast mehr entgegenkommen.
Booking sagt aber, auch die Hotels profitierten. Denn allein in der Schweiz generiere das Portal 1,8 Millionen Logiernächte.
Das ist Quatsch! Booking verteilt die Übernachtungen ja nur. Als Tourist haben Sie sich ja schon entschieden, dass Sie nach Zermatt fahren, bevor Sie ein Hotel buchen. Das heisst: Irgendwo in Zermatt hätten Sie ohnehin übernachtet.
Bleiben wir in der Schweiz. Als Deutscher kann es Ihnen recht sein, wenn die Schweiz hier nicht mitzieht. Dadurch werden vielleicht deutsche Hotels attraktiver.
So egoistisch tickt in der Branche niemand. Es ist absurd, in der Mitte Europas eine Insel zu haben, auf der der Hotelier keine Freiheit hat, seine Preise selbst zu bestimmen. Die Schweiz muss nachziehen – im ureigensten Interesse.