Der Unmut steigt, Parteien machen Druck
Corona-Regeln sollen sofort fallen

Die Corona-Regeln werden immer weniger eingehalten. Das zeigte sich bei verschiedenen Demonstrationen am Wochenende. Der Unmut steigt. Und damit auch der Druck auf den Bundesrat, rasch weitere Lockerungen zu beschliessen. Die SVP will Einschränkungen sofort aufheben.
Publiziert: 16.06.2020 um 10:41 Uhr
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Aktualisiert: 18.06.2020 um 19:37 Uhr
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Der oberste Polizeidirektor Urs Hofmann will, dass die 300er-Grenze bei Demos fällt.
Foto: Keystone
Ruedi Studer und Sermîn Faki

Tausende demonstrierten am Wochenende gegen Rassismus oder erinnerten an den Frauenstreik. Die geltenden Corona-Regeln – also Veranstaltungen mit maximal 300 Personen und Schutzkonzept – wurden dabei zur Makulatur. Die Polizei hatte keine Chance, die Regeln durchzusetzen.

Nun soll die 300er-Grenze fallen – zumindest bei politischen Kundgebungen. Dafür gleich ganz. Das fordert der Aargauer SP-Regierungsrat Urs Hofmann (63): «Eine neue Obergrenze hilft nicht weiter und bringt für uns nur neue Vollzugsschwierigkeiten», sagt der Präsident der kantonalen Polizeidirektoren in den «CH Media»-Zeitungen.

Stattdessen solle stärker auf Schutzkonzepte und den Einbezug der Demonstranten gesetzt werden. Er denkt dabei etwa an eine Maskenpflicht. «Wir können Demonstrationen nicht verhindern. Also sollten wir sie bewilligen – und alles daran setzen, auf ihnen das Ansteckungsrisiko zu minimieren», so Hofmann.

SVP: Sämtliche Einschränkungen aufheben

Die Demos klopfen auch die Parteien aus dem Busch: Die SVP verlangt nun, dass der Bundesrat sämtliche Einschränkungen per sofort aufhebt.

«Ich komme mir vor wie in einer Anarchie», klagt SVP-Präsident Albert Rösti (52). Während Beizen und Läden strenge Regeln hätten, fänden Demos mit Tausenden von Leuten statt. «Die Linke warf uns vor Wochen vor, Profit vor Gesundheit zu stellen, als wir die schrittweise Lockerung wollten. Eben diese Linken finden jetzt diese Demos toll.» Eine Breitseite richtet er auch gegen SP-Polizeidirektor Hofmann, der eine Auhebung des versammlungsverbots fordere statt dieses zu vollziehen.

Auch SVP-Nationalrätin Esther Friedli (43, SG) ärgert sich. In St. Gallen würden Beizer gebüsst und gleichzeitig begrüsse der St. Galler SP-Polizeidirektor Fredy Fässler (61) die Demos. «Er soll entweder Demonstranten büssen oder aber Beizen-Bussen zurücknehmen», so Friedli.

FDP: Gleiche Regeln für alle

Auch die FDP macht Druck auf den Bundesrat, die Corona-Regeln möglichst rasch zu kippen. Dazu hat sie im Ständerat wie auch im Nationalrat einen Vorstoss eingereicht.

«Die geltenden Corona-Regeln wurden mit Füssen getreten», meint Ständerat Andrea Caroni (40, AR) mit Blick auf die Grossdemonstrationen. Die Behörden vor Ort hätten wenig getan, um die Regeln durchzusetzen, moniert er. Stattdessen hätten sie bereits im Voraus erklärt, dass sie die Regeln ohnehin nicht durchsetzen würden und die Demos sogar begrüsst.

Deshalb will Caroni vom Bundesrat nun wissen, wie er diese Rechtsbrüche beurteilt. Ebenso, ob er die Corona-Regeln als nicht mehr notwendig oder nicht umsetzbar erachtet und ob Verstösse auch nicht mehr sanktioniert werden sollten.

Und Caroni fragt: «Was unternimmt der Bundesrat, um diese Regeln baldmöglichst anzupassen oder aufzuheben?»

Klar ist, die FDP will die Corona-Regeln angesichts der epidemiologisch positiven und der wirtschaftlich negativen Entwicklung rasch lockern oder ganz beseitigen. «Am schönsten wäre eine baldige Aufhebung – wenn es die epidemiologische Lage erlaubt», sagt Caroni. Ihm gehe es aber nicht darum, Druck zu machen, sondern um eine Grundsatzfrage: «Es geht um den Rechtsstaat: Entweder gelten die Corona-Regeln für alle oder für niemanden.»

Berset stellt Lockerungen «per Ende Juni» in Aussicht

Nicht nur die FDP will weitere Lockerungen. So musste SP-Gesundheitsminister Alain Berset (48) am Montag eine ganze Reihe kritischer Fragen des Parlaments beantworten. Etwa zum 2-Meter-Abstand oder der Sperrstunde in Gastrobetrieben.

Berset hielt in seiner schriftlichen Antwort allgemein fest, dass je nach Bereich verschiedene Ansätze verfolgt werden könnten. Aber: «Die nächsten Lockerungsschritte sollen zu einfacheren und kohärenteren Regelungen führen und sollen auch dazu dienen, der Bevölkerung wieder mehr Eigenverantwortung zu übertragen.» Berset stellt in Aussicht, dass der Mindestabstand bald reduziert und die Sperrstunde aufgehoben werden könnte, wenn die Corona-Fallzahlen tief bleiben. Der Bundesrat werde sich «per Ende Juni» dazu äussern.

Schon am Freitag findet die nächste Bundesratssitzung statt. Dann wird auch die Corona-Thematik auf der Traktandenliste stehen – gleichentags endet die ausserordentliche Lage gemäss Epidemiengesetz. Offen ist, ob die Landesregierung schon am Freitag eine schnellere Gangart anschlägt.

Bisher hat der Bundesrat jeweils den 24. Juni als Termin genannt, an welchem er über das weitere Vorgehen bei Veranstaltungen mit bis zu 1000 Personen und weitere Lockerungen entscheiden will.

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