Der Tessiner Bundesratskandidat
Norman Gobbi, sind Sie jetzt links oder rechts?

Der Tessiner Bundesratskandidat über seine Position in der Sozialpolitik, sein Verhältnis zur SVP und sein Kampfgewicht.
Publiziert: 30.11.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 23:46 Uhr
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Norman Gobbi politisiert in Sicherheits- und Ausländerfragen stramm rechts ...
Foto: Remy Steinegger
Interview: Nico Menzato und Joël Widmer

BLICK: Wer ist Norman Gobbi?
Norman Gobbi:
Ein Familienvater, der Werte vertritt, die zur Schweiz gehören: Freiheit, Unabhängigkeit sowie politische und soziale Sicherheit. Eine Person, die südländische Lebensfreude und viel Pflichtbewusstsein mitbringt.

Sind Sie mehr SVP oder mehr Lega?
Ich bin Norman Gobbi.

Wer ist Ihr Idol, Giuliano Bignasca oder Christoph Blocher?
Beide sind herausragende ­Politiker. Sie waren 1992 die Freiheitskämpfer. Nördlich der ­Alpen wehrte sich Christoph Blocher gegen den EWR-Beitritt und im Tessin war es Bignasca.

Wer ist Ihr politisches Vorbild?
Winston Churchill. Er sagte immer, was er dachte. Auch in schlechten Zeiten.

Christoph Blocher lobt Sie. Wie häufig haben Sie Kontakt mit ihm?
Selten.

In sozialpolitischen Fragen ten­dieren Sie nach links, da vertreten Sie Lega- und nicht SVP-Positionen. Dies haben Sie bei den SVP-Hearings kaschiert. Warum?
Ich habe nichts kaschiert! Ich bin ein Föderalist. Regionale Autonomie ist die bessere Lösung als mehr Zentralismus. Die Ausgangslage im Tessin ist schlecht vergleichbar mit anderen Kantonen. Wir sind ärmer und älter. Die Statistiken des Bundes bewiesen, dass unsere Löhne 20 Prozent tiefer sind als der Schweizer Durchschnitt, aber trotzdem sind unsere Krankenkassenprämien höher.

Sie befürworten laut kürzlich ausgefülltem Smartvote-Profil eine interkantonale öffentliche Krankenkasse – ein klassisch linkes ­Anliegen.
Wenn es föderalistische Lösungen gibt, um die zu hohen ­Prämien zu senken, dann befürworte ich das. Auf eidgenössischer Ebene hat sich das Schweizer Volk erst kürzlich wieder gegen die Einführung einer Einheitskasse ausgesprochen. Der Volkswille muss berücksichtigt werden, das gehört zu meinen Werten. Ich stehe nicht für mehr Staat und höhere Mehrwertsteuern.

Eine öffentliche Krankenkasse wäre aber mehr Staat.
Es geht darum, einen Mittelweg zwischen Solidarität und Eigenverantwortung zu finden. Gefragt sind daher pragmatische, mehrheitsfähige Lösungen – jenseits von politischen Dogmen. Da bin ich auf alle Seiten hin offen.

Ist der Wettbewerb bei den Krankenkassen gescheitert?
Nicht überall. In Appenzell Inner­rhoden funktioniert es perfekt. Aber im Tessin erhält jede dritte Person Prämienverbilligungen. Dieser Trend kann und darf nicht ungebremst weitergehen. Sonst droht der finanzielle Kollaps des Systems.

Ebenso verlangen Sie, dass sich der Kanton für tiefere Mieten einsetzt. Das ist alles andere als eine SVP-Position!
Wir sind im Tessin älter, haben tiefere Einkommen, es gibt mehr Druck auf die Mieten. Da braucht es die Politik. Es ist aber eine regionale Angelegenheit.

Druck auf Mieten gibt es auch in Zürich oder Genf.
Auch dort finden Sie regionale Lösungen. In Genf gibt es ja sogar ein Département du logement.

Sind Sie nun Etatist oder Deregulierer?
Ich bin für mehr Freiheit. Wir revidieren derzeit das Gastronomie- und Gewerbegesetz. Das Ziel heisst weniger Vorschriften und mehr Selbstverantwortung statt Kontrollen.

Ihr Vater arbeitet seit 25 Jahren als Stabsadjutant und Instruktor bei der Armee ...
Er ist pensioniert.

Wie hat die Arbeit des Vaters den Sohn geprägt?
Mit einer starken, positiven Haltung zu Armee, Vaterland und den Institutionen. Und zur Freiheit, das ist das Wichtigste!

Grossvater Dante Gobbi hatte ein Restaurant und eine Bäckerei. Der andere Grossvater war Feinmechaniker. Sie kennen aus Ihrer Familie die Sorgen von Unternehmern, Staatsangestellten, Arbeitern. Wie wichtig sind Gewerkschaften?
Gewerkschaften gehören seit jeher zum Werkplatz Schweiz. Als ­Polizeidirektor habe ich mit drei Gewerkschaften zu tun. Wenn der Chef gut ist, braucht es die Gewerkschaften weniger.

Wie stark ist Ihre soziale Ader?
Bei meinen freiwilligen Tätigkeiten habe ich enorm viel gelernt: als Major der Armee, als Politiker, im Schützenverband sowie im Eishockey als Spieler, Schiedsrichter und Verwaltungsrat. Wenn ich schaue, wie viel ich privat für den HC Am­bri-Piotta ausgegeben habe, dann habe ich in der Tat eine sehr starke soziale Ader (lacht laut).

Wie viel war es?
Das ist Privatsache. Im Ernst: Jeder Volksvertreter muss eine soziale Ader haben, sich für Menschen interessieren. Das heisst aber nicht, dass ich für mehr Staat bin. Das Miliz­prinzip und freiwilliges Engagement sind sehr wichtig.

Sie haben eine starke soziale Ader für die Tessiner ...
Ja. Dort, wo nötig.

... aber auf nationaler Ebene sind Sie für weniger Sozialismus.
Persönliche Nähe und Anteilnahme kann man nicht durch den administrativen Zentralstaat ersetzen.

Braucht es bei der Personenfreizügigkeit mehr flankierende Massnahmen, mehr Lohnschutz?
Auch das ist eine regionale Angelegenheit. Die Kantone an den Grenzen spüren diesen Druck mehr.

Im Tessin?
Die Löhne der Tessiner Grenzgänger sind halb so hoch wie die Löhne der Grenzgänger in der Deutschschweiz. Es braucht regional mehr Lohnschutz, ja.

Sie sagen bei jeder Frage, das ­müsse regional gelöst werden. Würden Sie als Bundesrat überhaupt noch etwas machen?
Als Bundesrat ist mir klar: Man muss den Kantonen viele Freiheiten geben.

Sind Sie für den Atomausstieg?
Die Schweiz braucht eine un­abhängige Energieversorgung. Ob dies mit oder ohne AKW geschieht, sollte das Volk entscheiden können.

Haben Sie auch eine so­ziale Ader beim Umgang mit Flüchtlingen?
Die Schweiz ist zu attraktiv für Flüchtlinge. Sie gehen dorthin, wo die Sozialhilfe am höchsten ist. Nach Schweden, Deutschland und in die Schweiz. Bei ­anerkannten Flüchtlingen bemühe ich mich um rasche, konfliktarme Integration.

Wie soll die Schweiz mit syrischen, irakischen und afghanischen Kriegsflüchtlingen um­gehen?
Das Flüchtlingsproblem ist kein isoliertes Schweizer Problem. Schengen/Dublin wird innerhalb der EU nicht konsequent umgesetzt. Die EU vernachlässigt ihre Aussengrenzen. Und weil wir in das Schengen-System eingebunden sind, tragen wir die Folgen mit.

Sie plädieren für mehr europäische Zusammenarbeit im Umgang mit Flüchtlingen?
Die bestehenden Verträge müssen konsequent umgesetzt werden. Das ist das Entscheidende.

Das EJPD wäre Ihr Wunschdepartement. Wieso?
EJPD und VBS sind die beiden Departemente, die meiner heutigen Tätigkeit am ähnlichsten sind. Selbstverständlich bin ich aber offen für alles.

Auch für den Aussenminister-Job?
Wieso nicht? Ich wollte früher Diplomat oder Koch werden. Das ist ja etwa das Gleiche. Aus wenig muss man das Beste machen (lacht).

Der Lega-Polterer Gobbi wollte ­Diplomat werden? Wir staunen!
Wieso? Als Diplomat versucht man, das Beste für sein Land zu machen.

Reden wir über Ihre Vergangenheit. Sie haben einen schwarzen Hockeyspieler als «Negro» betitelt und Zigeuner mit Tieren ver­glichen. Mit Verlaub, wer so spricht, hat in der Landesregierung nichts verloren!
Es handelt sich um Jugendsünden, die ich bereue und für die ich mich schon mindestens 1000 Mal entschuldigt habe. Ich zog meine Lehren da­raus und halte fest, dass ich deswegen nie angeklagt oder verurteilt wurde.

Sie waren bei der «Neger»-Entgleisung 30 Jahre alt und schon viele Jahre im Kantonsrat. Wie lange dauerte Ihre Jugend?
Es gibt ein schönes Sprichwort: Man wird alt wie eine Kuh und lernt immer noch was dazu.

Sie sagen aber auch, Sie seien gegen «politische Korrektheit».
Die Botschaft ist: Man muss die Probleme beim Namen nennen und darf nichts beschönigen.

Soll die Lega mit der SVP fusio­nieren?
SVP und Lega teilen die gleichen Werte. Zuoberst steht die Freiheit. Auf dieser Basis haben die Parteien in diesem Sommer eine langfristige Kooperation beschlossen.

Ihr Konkurrent Thomas Aeschi ­plädiert für einen Lateiner im Bundesrat. Wer ist Ihrer Meinung nach der beste Kandidat?
Alle sind gut. Die Landesteile und Sprachregionen sind berücksichtigt, wie es die Verfassung verlangt. Und die Bundesversammlung hat die Auswahl.

Was kann Aeschi besser als Sie?
In Finanzfragen ist er stärker als ich.

Was können Sie besser als Aeschi und Parmelin?
Ich bringe Regierungserfahrung mit, führe 1500 Mitarbeitende, bin dreisprachig und wäre ein guter Brückenbauer zwischen den verschiedenen Sprach- und Landesregionen.

Als Bundesrat würden Sie Ihre Kinder und Ihre Frau noch seltener sehen. Ist Ihre Frau mit Ihren Bundesrats-Ambitionen einverstanden?
Arbeit, Familie und die Pflege von Freundschaften machen glücklich. Meine Frau und ich unterstützen uns gegenseitig.

Wo verbringen Sie Ferien?
Im Alpengebiet, im Tessin oder in Italien. Dort meist im Piemont, in der Toscana oder in Südtirol.

Wegen des Essens?
Sieht man es? (Lacht und streicht sich über den Bauch)

Sie wuchsen laut eigenen Angaben schon in jungen Jahren in die Breite. Wie schwer sind Sie eigentlich?
Raten Sie!

Wir sind vorsichtig: vielleicht 110 Kilogramm?
Danke. Es sind mehr.

120 Kilo?
Schreiben Sie einfach: «mehr als 110 Kilo, verteilt auf 185 Zentimeter».

Wie viele Diäten haben Sie schon gemacht?
Ich glaube zwei. Vor 20 Jahren die letzte.

Was ist Ihr Lieblingsessen?
Risotto Bollito. Risotto mit Siedfleisch.

Sind Sie gläubig?
Katholisch, aber nicht prakti­zierend. Ich bekenne mich zur christlich-abendländischen Kultur.

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