Der Milchstreik machte Landwirt Martin Haab berühmt
Jetzt will er den Bauern in Bern Beine machen

SVP-Nationalrat Jürg Stahl tritt womöglich noch vor den Wahlen 2019 zurück. Nachrutschen würde Martin Haab. Er sorgte mit dem Milchstreik 2008 für internationale Schlagzeilen. Noch bevor Haab den Sprung nach Bern geschafft hat, kritisiert er die dortigen Bauern.
Publiziert: 25.05.2018 um 10:10 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:55 Uhr
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Wahlkampf: Mit dem Slogan «Melke Kühe, nicht die Bürger» schaffte es Martin Haab knapp nicht in den Nationalrat. Jetzt könnte er bald nachrücken.
Foto: Keystone
Cinzia Venafro

Ein Bauer kippt seine Milch literweise weg, seine Frau badet darin, oder er verfüttert sein wertvollstes Gut lieber, statt es unter Wert zu verkaufen: Martin Haab (56) wurde vor genau zehn Jahren mit seinem spektakulären Milchstreik zur nationalen Reizfigur.

Weg damit: Bauer Martin Haab war der Rädelsführer des Milchstreiks 2008. Er verfütterte die Milch seiner Kühe lieber wieder an diese, statt sie an Milchverarbeiter Emmi zu liefern.
Foto: STEFAN BOHRER

«Das war mein politischer Schlüsselmoment», sagt der Zürcher Landwirt. «Als ich merkte, wie viel Echo wir mit unserem Streik auslösten, wusste ich: Martin, du musst in die Politik. So kann es nicht weitergehen für uns Bauern!»

Bis nach Bern schaffte er es nicht, doch seit acht Jahren sitzt Haab im Zürcher Kantonsrat. Und auch der Milchpreis ist seither weiter gesunken. Aktuell erhält Haab rund 60 Rappen pro Liter. Er brauche aber 83, um kostendeckend produzieren zu können!

Wahlkampf: Mit dem Slogan «Melke Kühe, nicht die Bürger» schaffte es Martin Haab knapp nicht in den Nationalrat. Jetzt könnte er bald nachrücken.
Foto: Dominic Steinmann

Jetzt steht der Herr über 70 Kühe und nochmals so viele Jungtiere vor seinem grössten Karrieresprung: Der Zürcher könnte bald nach Bern in den Nationalrat einziehen. Denn SVP-Nationalrat Jürg Stahl (50) wird nicht mehr für die grosse Parlamentskammer kandidieren, wahrscheinlich noch während der Legislatur zurücktreten.

Haab kämpft für Milch-Kontingente

«Ich wäre bereit für Bern», sagt Milchlobbyist Haab, der mit dem Slogan «Melke Kühe, statt die Bürger» Wahlkampf betrieb. Aber wieso soll noch ein Bauer mehr ins Parlament? Die Branche ist doch bereits übervertreten, nicht?

«Ach, es sind zwar viele, aber oft neutralisieren sie sich gegenseitig», sagt Haab und kritisiert die in seinen Ohren viel zu leise Berner Bauernfraktion: «Im Vorstand des Zürcher Bauernverbandes sind wir uns gewohnt, die Dinge beim Namen zu nennen, im Gegensatz zu anderen kantonalen Bauernorganisationen.»

Er aber werde in Bern Klartext reden zu Fragen der Agrarpolitik und Nahrungsmittelsicherheit. «Und vielleicht auch mal mit einer spektakulären Aktion für Unterhaltung sorgen!»

Er pflanzte 67 Eichen aus Protest

Denn Haab liebt unkonventionelle Auftritte: So pflanzte er einst 67 Eichen zu einem Setzlingspreis von 2.75 Franken, nur um zu beweisen, dass er dank Direktzahlungen dafür 20'000 Franken Entschädigung erhält – wenn er sie fünf Jahre lang hegt und pflegt. Diese sogenannten «Landschaftsqualitätsbeiträge» sind in seinen Augen Symbol einer fehlgeleiteten Agrarpolitik.

Eines seiner Kampfthemen, die «blosse Statistenrolle der Bauern im Milchmarkt», müsse von der Bevölkerung wahrgenommen werden. «Wir müssen die Möglichkeit haben, die Milchmengen kurzfristig anzupassen, wenn zu viel produziert wird, damit die Dumpingexporte vom Tisch sind», sagt Haab.

Milchlobbyist: Der Zürcher Bauer ist Präsident von Big-M. Als solcher kämpft er für bessere Milchpreise. Unter anderem auch mit seinem Label «Faire Milch».
Foto: Zvg

In der kommenden Session berät der Ständerat zwei Standesinitiativen des Kantons Freiburg sowie Genf, welche die Mengensteuerung in der Milchproduktion neu regeln wollen.

Und Haab bereitet gerade seinen neusten Streich vor, um die Aufmerksamkeit auf das Geschäft zu lenken. Über die Details hält sich der Bauer noch bedeckt. Zur Erinnerung: Haab organisierte auch schon einen Mini-Alpaufzug vor die Migros Limmatplatz in Zürich.

«Schneider-Ammann hat keine Ahnung»

Ein Dorn im Auge des Präsidenten des Milchlobbyisten Big-M (Bäuerliche Interessensgruppe für Marktkampf) ist erwartungsgemäss FDP-Bundesrat Johann Schneider-Ammann (66) und das geplante Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten. «Schneider-Ammann hat ein Verständnis für uns Bauern, aber leider keine Ahnung, was es heisst, Milch zu produzieren», so Haab. «Wenn ich diesen Bundesrat reden höre, hinterlassen seine Statements mehr Fragen, als dass sie Klarheit schaffen.»

Familienmensch: Martin Haab mit drei seiner sechs Enkel: Timea (6), Zoé (4) und Caleb (2).
Foto: Zvg

Haab will im Parlamentarier-Skirennen Jürg Stahl schlagen

Versöhnlichere Töne schlägt Haab naturgemäss an, wenn es um seine Familie geht: Der sechsfache Grossvater betreibt seinen Hof zusammen mit seinem Sohn. «Die Kleinen geben mir viel Kraft. Ich weiss, für wen ich Politik betreibe. Und weil ich weiss, dass unser Familienbetrieb gesichert ist, kann ich in Bern Vollgas geben.»

Ein gänzlich unpolitisches Ziel hat der Zürcher in Bern auch noch: Er will seinen möglichen Vorgänger Jürg Stahl beim Parlamentarier-Skirennen würdig vertreten. Denn Haab war die letzten Jahre meist der schnellste Skifahrer im Zürcher Kantonsrat, Stahl fuhr seinen Nationalratskollegen jeweils davon. «Ich werde mein Bestes geben, die Bestzeit von Kollege Stahl zu schlagen! Ich bin nämlich nicht nur laut, sondern auch richtig schnell», sagt Haab. 

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