Der Vorschlag der Chefredaktion, den Stil von Politikerinnen und Politikern im Bundeshaus zu beurteilen, hat mich spontan begeistert. Aber dann fiel mir ein, dass ich erstens keine Schweizerin und zweitens mit einer Angela Merkel im Nacken wirklich die Letzte bin, die über die Kleidung von Schweizern meckern darf. Und – so versuchte ich meinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen – sollten Politiker nicht nach ihren Leistungen statt ihrem Outfit beurteilt werden?
Aber dann sah ich die Fotos der Parlamentarier. Und dachte: Schade, warum nur? Doch plötzlich wurde mein Kritiker-Ehrgeiz geweckt. Kurzes Fazit: Die Herren haben zwei grosse Schwachpunkte – Schuhe und Krawatte. Die Damen: Schuhe und Brillen. Aus irgendeinem Grund hören alle bei den Füssen auf, sich über ihre Erscheinung Gedanken zu machen. Liebe Herren Politiker, Sie brauchen nicht nur neue Anzugsschuhe, sondern auch Schuhputzlappen und Schuhspanner!
Und noch etwas fiel auf: die typisch männliche Sorglosigkeit und die feminine Bedachtsamkeit. Als die Fotografin in Bern die Herrschaften um Erlaubnis bat, sie zu fotografieren, stellten sich die Herren diskussionslos vor die Kamera. Die Damen gingen sich erst einmal «frisch machen». Oder berieten sich über die Parteigrenzen hinweg, ob sie mit oder ohne Accessoires aufs Bild sollten. Was lernen wir daraus? Frauen überlassen nichts dem Zufall und können jeden noch so spontanen Überfall kontrollieren, weil sie vorausdenken. Männer hingegen handeln im Jetzt und bereuen später.