Schon morgens Rotwein, Abstürze und keine Grenze: Die Beichte von Schauspieler Mathias Gnädinger (72) hat viele irritiert. Trinken wir alle zu viel?
Wie viele trinken Alkohol?
Die grosse Mehrheit, 88,5 Prozent der Schweizer ab 15 Jahren. Philipp Frei (29) von der Suchthilfeorganisation Blaues Kreuz: «Alkohol ist das am weitesten verbreitete Suchtmittel, gehört zu unserer Kultur.» Jeder Zehnte trinkt täglich.
Wer trinkt am häufigsten?
Die Tessiner – in der italienischen Schweiz trinken 17,9 Prozent jeden Tag Alkohol (vor allem Wein). Zum Vergleich: In der Westschweiz (ebenfalls Wein) sind es 14,4 Prozent, in der Deutschschweiz 7,8 Prozent (eher Bier, Spirituosen).
Wie viele betrinken sich?
Jeder Zehnte hat sich im vergangenen Jahr mindestens einmal betrunken. Im Minimum neun Gläser mit je zehn Gramm reinem Alkohol (z. B. Bier), einige hatten mehr als 16 Gläser.
Wie viele sind Alkoholiker?
Eine Million Schweizer trinken laut Umfragen gelegentlich oder ständig zu viel. Etwa 250 000 davon werden als echte Alkoholiker eingestuft.
Trinken junge Leute mehr?
Sie trinken früher (trotz Verbot oft schon ab 11 bis 15 Jahren) und betrinken sich häufiger an Wochenenden im Ausgang. Im Alter wird eher konstantes Trinken daraus. 7,6 Prozent der 65- bis 74-Jährigen trinken zu viel.
Wird es immer schlimmer?
Nein. Nicolas Rion (33) von der Eidgenössischen Alkoholverwaltung: «Vor 125 Jahren, zu Beginn der amtlichen Erhebungen, wurde doppelt so viel getrunken.» Ein Grund: Mehr schwere körperliche Arbeit.
Wie viel Alkohol ist noch gesund?
Für Männer empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation höchstens bis zu 20 Gramm reinen Alkohol pro Tag, zum Beispiel ein Bier (0,3 l) und einen Whisky (0,02 l). Für Frauen die Hälfte, zum Beispiel ein Cüpli (0,1 l). Sie vertragen körperlich deutlich weniger.
Ab wann trinke ich zu viel?
Bei 40 Gramm reinem Alkohol pro Tag (Männer), also etwa drei Bier (0,3 l) und einem Schnaps (0,02 l). Für Frauen die Hälfte, zum Beispiel ein Glas Wein (0,2 l) und ein Likör (0,02 l).
Der Bundesrat hat gestern Brigitta Gadient (53, BDP) zur neuen Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Alkoholfragen (Ekal) ernannt.
«Die Hälfte des in der Schweiz konsumierten Alkohols wird von nur elf Prozent der Bevölkerung konsumiert», sagt sie. «Alkohol gehört zu den fünf wichtigsten Krankheitsfaktoren und verursacht rund ein Zehntel der gesamten Krankheitslast.» Dazu viele Unfälle und Schlägereien.
Was kostet uns das Trinken?
6,5 Milliarden Franken sind die jährlichen sozialen Kosten für Arztbehandlungen, Therapien und Ähnliches. Dazu kommt eine Milliarde Franken durch Fehlzeiten, Unfälle und geringere Produktivität.
Die Ekal ist eine ausserparlamentarische beratende Kommission. Was schlägt die neue Chefin vor? «Es gibt sehr wirksame Massnahmen, wie die Erhöhung der Alkoholpreise oder die Reduktion der Verkaufszeiten.» Wichtig seien aber auch Aufklärung und Hilfen, das Verhalten zu ändern.
Das Blaue Kreuz ist skeptisch. Philipp Frei: «Bei uns gehört Alkohol bisher einfach dazu. Wer nicht mittrinkt, wird noch immer schräg angeschaut.» Wie hält es Gadient selbst mit dem Alkohol? «Ein Gläschen in Ehren. Wichtig ist dabei, sich selber und anderen keinen Schaden zuzufügen.»