Der grosse AHV-Wahl-Check
Bei dieser Partei gibt es am meisten Rente

Die Gewerkschaften haben die Rentenpläne der Parteien unter die Lupe genommen – und Erstaunliches zutage gefördert. Die Parteien reagieren betupft.
Publiziert: 11.10.2015 um 11:08 Uhr
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Aktualisiert: 14.10.2018 um 14:21 Uhr
Foto: Igor Kravarik (illustration)
Von Simon Marti

Die Altersvorsorge ist eine der grössten Herausforderungen der Schweizer Politik. Der Ständerat hat zwar einen Kompromiss zu Innenminister Alain Bersets (43, SP) Altersreform 2020 vorgelegt. Ob dieser das Schleuderprogramm im Nationalrat übersteht, steht auf der Kippe.

Die Bürgerlichen wollen eine Anpassung des Rentenalters an die gestiegene Lebenserwartung. In der zweiten Säule soll der Umwandlungssatz (siehe Box) mathematisch bestimmt werden. Künftig legten dann Vertreter der Versicherungen oder Beamte den Satz fest. Die Linke propagiert den Status quo.

Kritik am SGB

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) wollte wissen, wie sich die verschiedenen Konzepte in Zukunft auswirken würden. Er durchforstete vor der Debatte im Ständerat Programme, Vorstösse und Positionspapiere der Parteien. Er ermittelte, wie lange Herr und Frau Schweizer gemäss den Parteivorschlägen im Jahr 2030 arbeiten müssten, um das heutige Renten­niveau ungefähr zu halten. Und wie hoch der Umwandlungssatz der Pensionskassen zu liegen käme (siehe Grafik).

Doris Bianchi (40), geschäftsführende Sekretärin des SGB, kritisiert vor allem SVP, FDP, BDP und GLP scharf. «Die Vorschläge dieser Parteien bedeuten unter dem Strich: länger arbeiten und einen tieferen Umwandlungssatz in den Pensionskassen.»

Besonders deutlich wird dies im Falle der BDP: Laut der SGB-Auswertung ergibt sich aus den Stellungnahmen der Mittepartei ein Rentenalter für Frauen und Männer von 69 im Jahr 2030! Grund: Die BDP lancierte Ende 2013 eine parlamentarische Initiative, die das gesetzliche Rentenalter bei 80 Prozent der Lebenserwartung festlegen will. Da 2030 die Lebenserwartung bei Geburt im Schnitt fast 86 Jahre beträgt, steigt das Rentenalter um satte vier beziehungsweise fünf Jahre. Zugleich resultiert ein Umwandlungssatz von 5,9 Prozent.

BDP-Generalsekretärin Nina Zosso (41) bestätigt im Grundsatz die Analyse. Das Rentenalter müsse automatisch an die Lebenserwartung angepasst werden. Und  die Senkung des Umwandlungssatzes sei zur Finanzierbarkeit der Renten unumgänglich. Verärgert auf die Erhebung aus der Gewerkschaftsecke reagieren SVP und CVP. «Die Behauptungen des SGB entbehren jeder Grundlage», sagt Silvia Bär (46), stellvertretende Generalsek-retärin der SVP. Laut Bär gibt es schlicht «keine Stellungnahme der SVP, die ein Rentenalter 68 fordern würde oder einen Umwandlungssatz von 5,9 Prozent.»

Gleich tönts bei der CVP. «Die Angaben vom SGB sind falsch», sagt Sprecher Thomas Jauch (42). Die CVP wolle im Grundsatz ein einheitliches Rentenalter von 65 Jahren, fordere aber flexible Pensionierungen zwischen 62 und 70 und einen Umwandlungssatz von sechs Prozent.

Bianchi kontert: «Die SVP fordert, dass künftig nicht mehr Parlament und Volk das Rentenalter festlegen, sondern es automatisch dem AHV-Fonds angepasst wird.» Da aber die Partei zugleich eine Zusatzfinanzierung für die AHV ablehne, steige aufgrund der höheren Lebenserwartung das Rentenalter auf 68 Jahre. Für Bianchi ist klar: «So wird ein höheres Rentenalter am Volk vorbeigeschmuggelt.»

Die CVP habe im Ständerat tatsächlich einen Umwandlungssatz von sechs Prozent unterstützt, räumt Bianchi ein. In den Positionspapieren vor der Ständeratsdebatte habe die Partei aber verlangt, dass die Verwaltung den Satz bestimme. «Bei einem Rentenalter von 65 wird ebendiese Verwaltung den Satz zwangsläufig unter sechs Prozent drücken müssen.» Sonst gehe der zweiten Säule das Geld aus.

Aus gewerkschaftlicher Sicht kommen – wenig überraschend – SP und Grüne gut weg. Beide verlangen ein Rentenalter 64 für Frauen und 65 für Männer und einen unverändert hohen Umwandlungssatz. Hier stellt sich aber umso mehr die Frage nach der Finanzierung. Bei der AHV gäbe es zwei Möglichkeiten, sagt SP-Sprecher Michael Sorg (34). «Erstens die Erhöhung der Mehrwertsteuer, wie sie der Ständerat beschlossen hat. Zweitens eine leichte Erhöhung der Lohnbeiträge.» Im Klartext: Für ein tiefes Rentenalter bluten entweder die Konsumenten oder die Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit ihren Beiträgen.

Die Vorstellungen, wie die Altersvorsorge endlich ins Lot gebracht werden kann, klaffen nach wie vor weit auseinander. Sicher ist heute schon: Zahlen werden wir alle. Mit einer späteren Rente.

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