Urs Ursprung (61) ist seit über 12 Jahren Chef der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV). Der SVP-Mann ist einer der mächtigsten Chefbeamten des Bundes. Oder besser gesagt: Er war es.
Gestern hat ihn Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) per sofort freigestellt. Dass Ursprung seinen Job wieder übernimmt, scheint ausgeschlossen.
Das 2001 eingeleitete IT-Projekt Insieme sollte die alten Steuer-Inkassosysteme der ESTV ablösen. Bisher hat das Projekt über 150 Millionen Franken gekostet, läuft aber noch lange nicht. Dafür kam es zu schweren und bewussten Verstössen gegen das Beschaffungsrecht. So wurden Projekttranchen so zerstückelt, dass sie unter der WTO-Ausschreibungsgrenze lagen.
Eine von Widmer-Schlumpf im Januar bei ihrem Generalsekretär und ihrem Chef Rechtsdienst bestellte Administrativuntersuchung zeigte jetzt, dass die Verstösse auch andauerten, nachdem die Departementsführung verlangt hatte, das Gesetz sei einzuhalten. Laut Finanzdepartement (EFD) liegt die Verantwortung dafür bei Ursprung. Der ignorierte die Weisungen, warum auch immer.
Offenbar ist bei Insieme auch Korruption im Spiel. Die Bundesanwaltschaft hat auf Anzeige des EFD eine Strafuntersuchung wegen Verdachts auf ungetreue Amtsführung eröffnet. Diese richtet sich gegen den Chef der ESTV-Abteilung Leistungsbezug Informatik (LBO) sowie gegen Unbekannt. Der LBO-Chef wurde am 12. Juni zum Verhör abgeholt, zudem fanden Hausdurchsuchungen statt.
Der Mann soll unter anderem Mitinhaber einer Firma gewesen sein, die 420 Monitore an die ESTV lieferte. Die Administrativuntersuchung spricht von «erheblichem Korruptionsverdacht». Zudem soll er zu Lieferfirmen, die Mitarbeiter zur Verfügung stellten, «enge persönliche Beziehungen» unterhalten haben.
Dank «ungewöhnlicher Vertragskonstruktionen» hätten die Firmen von «unüblich hohen Margen» auf dem Buckel des Bundes profitiert, so die Administrativuntersuchung. Dabei ging es um Aufträge in Millionenhöhe.
Jeannette Balmer, Sprecherin der Bundesanwaltschaft: «Es ist davon auszugehen, dass bei der Beschaffung von IT-Dienstleistungen Personalverleih-Firmen eingeschaltet wurden, ohne dass dies wirtschaftlich gerechtfertigt gewesen wäre, und so mutmasslich der ESTV finanzieller Schaden entstand.» Sicher ist: Die Sache kommt die Steuerzahler teuer zu stehen.
Urs Ursprung fällt nicht zum ersten Mal unangenehm auf. Er war mit Ex-Finanzminister Hans-Rudolf Merz verantwortlich für die Unternehmenssteuerreform II. Die wurde den Stimmbürgern heimtückisch als KMU-Reform verkauft, führte aber zu Milliardengeschenken für Grossaktionäre. Zusammen mit Merz hat Ursprung etwa auch die Lösung des Steuerstreits der UBS mit den USA verzögert, bis es fast zum Knall kam und der Gesamtbundesrat zu Notrecht greifen musste, um das Schlimmste zu verhindern.