Am Montag sind 7800 Rekruten in die Sommer-RS eingerückt - 500 mehr als im Vorjahr. (Symbolbild)
Foto: KEYSTONE/GAETAN BALLY

Der frühere RS-Start begünstigt Studenten, diskriminiert aber Lehrlinge
Gewerbler proben Aufstand gegen Armeeführung

Um die Sommer-RS ist ein wüster Streit entbrannt. Lehrbetriebe toben, weil die Armee einfach den Termin vorverschoben hat, damit Studenten den Semesterbeginn nicht mehr verpassen. Sie nimmt in Kauf, dass Lehrlinge dadurch ihre Lehrverträge nicht mehr erfüllen.
Publiziert: 14.12.2018 um 09:08 Uhr
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Mit der Weiterentwicklung der Armee (WEA) wurde der Beginn der Sommer-Rekrutenschulen vorverschoben.
Foto: Keystone
Andrea Willimann

Mit der Weiterentwicklung der Armee (WEA) wurde der Start der Sommer-Rekrutenschule dieses Jahr erstmals auf Ende Juni vorverschoben. Der Grund: Die Studenten sollen im Herbst den Semesteranfang an den Hochschulen nicht mehr verpassen. 

Die Lehrlinge gingen dabei vergessen. Sie müssen jetzt in die RS, bevor ihr Lehrvertrag ausläuft – meist Ende Juli. Bestraft werden auch die Lehrbetriebe. Sie sollen ihren fertig ausgebildeten, wertvollen Nachwuchs bis zu vier Wochen früher abgeben. 

Kompromissvorschläge wurden nie geliefert

Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) will das nicht einfach hinnehmen. Bereits im Sommer 2017 traf sich SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler (60), seinerseits Oberst im Generalstab a. D., mit der Armeespitze.

«Viele Betriebe hatten sich darüber beklagt, dass dadurch die Lehrverträge vorzeitig beendet werden müssen, was zulasten der Unternehmen geht», erinnert sich der Zürcher FDP-Nationalrat in der aktuellen «Schweizerischen Gewerbezeitung». «Uns wurde zugesagt, dass bis zur Frühjahrssession 2018 Kompromissvorschläge unterbreitet würden. Die wurden aber nie geliefert; und zu einem zweiten Treffen im November erschienen die VBS-Verantwortlichen völlig unvorbereitet.»

«Die Armee setzt auf die Falschen»

Die Armee hätschelt Akademiker, obschon ihr diese am häufigsten den Rücken zukehren und lieber den Zivildienst wählen.

Dies zeigen Daten der Vollzugsstelle für Zivildienst. Diese befragt ihre Zivis zwar nicht systematisch nach Ausbildung und beruflicher Tätigkeit. Aber sie verteilt an ihrem Einführungstag Fragebögen, welche die Gesuchsteller vor der Zulassung ausfüllen.

Die 2017 eingegangenen 5056 Fragebögen zeigen, dass rund 45 Prozent der Zivis zur Gruppe der Maturanden und Studenten zu zählen sind. «Der Anteil der Studierenden dürfte unter den 6785 jungen Männern, die vergangenes Jahr den Zivildienst wählten, aber noch viel höher sein», ist SVP-Nationalrat David Zuberbühler (39, AR) überzeugt. Die Armee setze auf die Falschen.

«Wir schätzen, dass rund 52 Prozent derjenigen, die sich zum Zivildienst melden, entweder Studenten, Informatiker oder kaufmännische Angestellte sind», sagte gestern Armeechef Philippe Rebord (61) in der NZZ. Und bestätigte, dass das ein Problem sei. «Die Wehrpflicht ist ein Zwangssystem. Die Studenten sind ein Teil der zukünftigen Elite. Und die Elite muss in einem Zwangssystem ein Vorbild sein.» Denn sonst würden sich bald auch die anderen Dienstleistenden verabschieden.

Das RS-Terminproblem der Stifte ist für den Armeechef daher nicht zentral. Lieber setzt er auf die «Technologisierung» oder die neuen RS für Cyberspezialisten, welche Hackerangriffe auf elektronische Systeme abwehren sollen. Damit habe die Armee «wieder attraktivere Angebote auch für akademische Kreise», so Rebord. Andrea Willimann

Die Armee hätschelt Akademiker, obschon ihr diese am häufigsten den Rücken zukehren und lieber den Zivildienst wählen.

Dies zeigen Daten der Vollzugsstelle für Zivildienst. Diese befragt ihre Zivis zwar nicht systematisch nach Ausbildung und beruflicher Tätigkeit. Aber sie verteilt an ihrem Einführungstag Fragebögen, welche die Gesuchsteller vor der Zulassung ausfüllen.

Die 2017 eingegangenen 5056 Fragebögen zeigen, dass rund 45 Prozent der Zivis zur Gruppe der Maturanden und Studenten zu zählen sind. «Der Anteil der Studierenden dürfte unter den 6785 jungen Männern, die vergangenes Jahr den Zivildienst wählten, aber noch viel höher sein», ist SVP-Nationalrat David Zuberbühler (39, AR) überzeugt. Die Armee setze auf die Falschen.

«Wir schätzen, dass rund 52 Prozent derjenigen, die sich zum Zivildienst melden, entweder Studenten, Informatiker oder kaufmännische Angestellte sind», sagte gestern Armeechef Philippe Rebord (61) in der NZZ. Und bestätigte, dass das ein Problem sei. «Die Wehrpflicht ist ein Zwangssystem. Die Studenten sind ein Teil der zukünftigen Elite. Und die Elite muss in einem Zwangssystem ein Vorbild sein.» Denn sonst würden sich bald auch die anderen Dienstleistenden verabschieden.

Das RS-Terminproblem der Stifte ist für den Armeechef daher nicht zentral. Lieber setzt er auf die «Technologisierung» oder die neuen RS für Cyberspezialisten, welche Hackerangriffe auf elektronische Systeme abwehren sollen. Damit habe die Armee «wieder attraktivere Angebote auch für akademische Kreise», so Rebord. Andrea Willimann

Der SGV kritisiert, dass das Departement von Verteidigungsminister Guy Parmelin (59), das VBS, in erster Linie den Offiziersnachwuchs aus den akademischen Reihen sicherstellen will. Die anderen 80 Prozent jedoch, die aus der Berufsbildung hervorgehen, seien den Verantwortlichen offensichtlich egal. «Dies ist umso erstaunlicher», so Bigler, «als die Armee anteilmässig mehr junge Männer aus der akademischen Linie schliesslich an den Zivildienst verliert.»

Armee verweist auf enges Terminkorsett

Die Armee selber sieht sich in der Zwickmühle. Es sei «schlicht nicht möglich, die Bedürfnisse aller Anspruchsgruppen restlos zu befriedigen», erklärt VBS-Informationschef Renato Kalbermatten (44). Die Armee sei bei der Festlegung der diversen Termine stark gebunden: «Die Verfügbarkeit der Infrastrukturen beeinflusst die Planung ebenso wie die Abfolge der verschiedenen Rekruten- und Kaderschulen – Unteroffiziers- und Offiziersschulen, Lehrgänge für höhere Unteroffiziere –, sowie Abschlussexamen – Maturitätsprüfungen, Lehrabschlussprüfungen –, oder Studienbeginne.» 

Zudem erinnert Kalbermatten daran, dass es das Parlament war, das die WEA in der vorliegenden Form abgesegnet hat. «Alle Parteien und Organisationen konnten sich zu der Vorlage äussern.» Eine Änderung würde zudem eine Anpassung des Militärgesetzes bedeuten.

Gewerbeboss Bigler holt zum Gegenschlag aus

Mit diesen Erklärungen lässt sich der SGV jedoch nicht abspeisen. Er ruft jetzt die ihm angeschlossenen 500'000 KMU in einem Zirkular auf, einen neuen Abschnitt in die Lehrverträge aufzunehmen. Darin steht in Juristendeutsch: «Der Auszubildende hat die Mitwirkungspflicht, den Zeitpunkt des Beginns der militärischen Grundausbildung so zu legen, dass er sich terminlich nicht mit diesem Vertrag überschneidet.» Die Stifte müssen sich zudem verpflichten, dass sie einen Antrag auf Verschiebung der RS stellen.

Dass die Studenten keinen Tag an der Uni verpassen, müssen also die Lehrlinge ausbaden. Sie werden zudem eine Flut an Verschiebungsgesuchen auslösen – was wiederum ganz im Sinne des Gewerbeverbandes ist. Denn das gibt viel Mehraufwand und somit Druck auf die Armee.

Bundesrat soll Verschiebung korrigieren

Die Politik nimmt die Armee zusätzlich in die Zange. SVP-Gewerbepolitiker David Zuberbühler (39, AR) hat diese Woche im Nationalrat eine Motion eingereicht, die den Bundesrat zwingen soll, die Sommer-RS wieder nach hinten zu verschieben. Der Termin soll wieder auf das vertragliche Ende der Berufslehre abgestimmt werden. Damit diese attraktiv bleibt, so Nationalrat Zuberbühler.

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