Drei Millionen Flyer landeten in den vergangenen Tagen in den Schweizer Haushalten. Darin warnen die vom Hauseigentümer-Verband angeführten Gegner der Miet-Initiative eindringlich vor einer «Verstaatlichung des Wohnungsmarkts». Als knackigstes Nein-Argument führen sie dabei «777 Millionen Franken Verluste des Bundes seit den 90er-Jahren mit Wohnbaudarlehen» an.
Ein Argument, bei welchem SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (58, ZH) an die Decke geht! «Der Flyer ist ein unsägliches Lügenpamphlet», wettert sie. «Die 777 Millionen haben mit dem heutigen Wohnraumförderungs-Gesetz und mit der Initiative null und nichts zu tun. Damit wird das Stimmvolk in die Irre geführt!»
Auch Grünen-Nationalrat Michael Töngi (52, LU) ärgert sich: «Mit uralten Zahlen zu hausieren, ist reine Polemik», so das Vorstandsmitglied des Mieterverbands.
Lasten der Vergangenheit
Fakt ist: Die umstrittene Zahl gibt es tatsächlich. «Seit 1995 waren Bürgschaftsverluste im Umfang von 777 Millionen Franken zu verzeichnen», hält das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) in einem Bericht von 2018 fest. Nur beziehen sie die Verluste auf Bürgschaften des früheren Gesetzes zur Wohnbau- und Eigentumsförderung (WEG). Damals herrschte eine ganz anderes System.
Der damalige Geldtopf war für alle offen, insbesondere für private und kommerzielle Anbieter. Für Verbilligungen gab es teils sogar À-fonds-perdu-Beiträge. Ab 1975 wurden während des Baubooms zudem Bürgschaften in Milliardenhöhe vergeben – doch in den Neunzigerjahren platzte die Immobilienblase, die Schweiz rutschte in eine Rezession. Das stellte viele Bezüger vor finanzielle Probleme, und der Bund musste schliesslich dafür geradestehen.
Neue Regeln seit 2003
Aber eben, das Finanzloch betrifft das alte WEG. «Dieses war ein bürgerlicher Flop», so Badran. «Es wurde gerade wegen der massiven Verluste abgeschafft und durch das heutige Gesetz ersetzt.» Nur alte Restanzen werden noch über das WEG abgewickelt und sollten bis 2031 erledigt sein.
Stattdessen gelten seit 2003 mit dem neu geschaffenen Wohnraumförderungsgesetz (WFG) ganz andere Regeln: Seither kommen nur noch gemeinnützige Wohnbauträger zum Zug – also vorwiegend Genossenschaften. «Die Zielgruppen und die Instrumente wurden massiv eingeschränkt, die beiden Gesetze sind deshalb nicht miteinander vergleichbar», erklärt BWO-Vertreter Christoph Enzler (54). Kommt hinzu: Unter dem Strich kostet die heutige Wohnraumförderung den Bund praktisch nichts.
Seit 2003 gilt für die Wohnraumförderung ein neues Gesetz. Mit diesem kommen hauptsächlich zwei Instrumente zum Zug: der Fonds de Roulement sowie Bundesbürgschaften für Anleihen der Emissionszentrale für gemeinnützige Wohnbauträger (EGW).
Der Fonds de Roulement gewährt zinsgünstige, rückzahlbare Darlehen und wird von den beiden Verbänden Wohnbaugenossenschaften Schweiz und Wohnen Schweiz verwaltet. Rund 510 Millionen Franken beträgt das aktuelle Fondskapital. Fällt die Initiative durch, kommen nochmals 250 Millionen Franken dazu. Bei einem Ja müsste der Betrag neu diskutiert werden – die Initianten rechnen dann mit einer noch höheren Summe.
Mehrere Millionen Gewinne pro Jahr
Die Fonds-Gewinne fliessen nach Abzug der Aufwendungen zurück in die Bundeskasse. In den letzten Jahren waren dies jeweils mehrere Millionen Franken (siehe Grafik). Unter dem Strich ist es allerdings weniger, da der Bund die zur Verfügung gestellten Gelder auch auf dem Markt aufnimmt, allerdings recht günstig. Der Zinsdifferenz-Gewinn belief sich in den letzten zehn Jahren auf knapp zwölf Millionen Franken, wie Bundesrat Guy Parmelin (60) in der Wintersession ausführte. Aufgrund weiterer Kosten habe der Bund unter dem Strich aber 2,5 Millionen Franken draufgelegt.
Bei den Bürgschaften wiederum musste der Bund unter dem neuen Gesetz bisher kein einziges Mal in die Bresche springen. Über die Emissionszentrale für gemeinnützige Wohnbauträger sind derzeit knapp 3,5 Milliarden Franken an Bundesbürgschaften ausstehend. «Die Bürgschaft dient als Sicherheit, seit 2003 ist faktisch aber kein einziger Franken vom Bund an uns geflossen», sagt EGW-Direktor Guido Gervasoni (64).
Das Fazit von Christoph Enzler vom Bundesamt für Wohnungswesen ist klar: «Die heutige Wohnbauförderung ist für den Bund zumindest heute kein Verlustgeschäft.» Ruedi Studer
Seit 2003 gilt für die Wohnraumförderung ein neues Gesetz. Mit diesem kommen hauptsächlich zwei Instrumente zum Zug: der Fonds de Roulement sowie Bundesbürgschaften für Anleihen der Emissionszentrale für gemeinnützige Wohnbauträger (EGW).
Der Fonds de Roulement gewährt zinsgünstige, rückzahlbare Darlehen und wird von den beiden Verbänden Wohnbaugenossenschaften Schweiz und Wohnen Schweiz verwaltet. Rund 510 Millionen Franken beträgt das aktuelle Fondskapital. Fällt die Initiative durch, kommen nochmals 250 Millionen Franken dazu. Bei einem Ja müsste der Betrag neu diskutiert werden – die Initianten rechnen dann mit einer noch höheren Summe.
Mehrere Millionen Gewinne pro Jahr
Die Fonds-Gewinne fliessen nach Abzug der Aufwendungen zurück in die Bundeskasse. In den letzten Jahren waren dies jeweils mehrere Millionen Franken (siehe Grafik). Unter dem Strich ist es allerdings weniger, da der Bund die zur Verfügung gestellten Gelder auch auf dem Markt aufnimmt, allerdings recht günstig. Der Zinsdifferenz-Gewinn belief sich in den letzten zehn Jahren auf knapp zwölf Millionen Franken, wie Bundesrat Guy Parmelin (60) in der Wintersession ausführte. Aufgrund weiterer Kosten habe der Bund unter dem Strich aber 2,5 Millionen Franken draufgelegt.
Bei den Bürgschaften wiederum musste der Bund unter dem neuen Gesetz bisher kein einziges Mal in die Bresche springen. Über die Emissionszentrale für gemeinnützige Wohnbauträger sind derzeit knapp 3,5 Milliarden Franken an Bundesbürgschaften ausstehend. «Die Bürgschaft dient als Sicherheit, seit 2003 ist faktisch aber kein einziger Franken vom Bund an uns geflossen», sagt EGW-Direktor Guido Gervasoni (64).
Das Fazit von Christoph Enzler vom Bundesamt für Wohnungswesen ist klar: «Die heutige Wohnbauförderung ist für den Bund zumindest heute kein Verlustgeschäft.» Ruedi Studer
«Pure Angstmacherei»
Umso mehr ärgert sich Badran über den Flyer: «Die Gegner suggerieren, dass die gemeinnützigen Genossenschaften ein Risiko sind. Das Gegenteil ist der Fall: Sie sind viel sicherer, da sie nicht auf steigende Preise wetten, also spekulieren. Bisher gab es auch keinen einzigen Franken Ausfall.»
Die Bürgerlichen versuchten die Initiative mit «purer Angstmacherei zu bodigen, um die Renditen der Immobilienbesitzer zu schützen, dabei sollten sie unsere Einkommen schützen».
Gegner rechtfertigen sich
HEV-Präsident Hans Egloff (60) wehrt sich gegen den Vorwurf der Irreführung: «Man weiss ja nie, was noch kommt. Bei den Bürgschaften für die Hochseeschifffahrt haben auch alle behauptet, das sei ein Supergeschäft. Jetzt zahlen wir Hunderte von Millionen.»
Er räumt zwar ein, dass sich die 777 Millionen auf das alte Gesetz beziehen. Trotzdem sei deren Verwendung im aktuellen Abstimmungskampf gerechtfertigt. «Wir wollen damit zeigen, dass der Bund mit seinem Engagement in der Wohnbaupolitik schon einmal viel Geld verlocht hat», so der frühere SVP-Nationalrat. «Der Bund soll die Wohnbauförderung den Kantonen und Gemeinden überlassen. Die wissen besser, wo Bedarf besteht.»
Auch für GLP-Nationalrat Martin Bäumle (55, ZH) ist klar: «Faktisch steht da nichts Falsches und die Quelle ist sauber deklariert», so der Co-Präsident des Nein-Komitees. Und: «Plakative Zuspitzungen gehören zu Abstimmungen.»