Der Fall Mörgeli und die Daten-Spione
Die schamlosen Schnüffler vom Staat

Im Rechtsstreit im Nachgang zur Affäre Mörgeli verschaffte sich die Zürcher Staatsanwaltschaft Kontaktdaten von der Uni. Eine private Firma wertete diese aus.
Publiziert: 18.12.2016 um 01:05 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 13:58 Uhr
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Ex-Nationalrat Christoph Mörgeli.
Cyrill Pinto

Vor vier Jahren wurde alt Nationalrat Christoph Mörgeli (56) als Leiter des Medizinhistorischen Museums der Universität  Zürich entlassen. Der Beginn der Affäre Mörgeli, deren Nachbearbeitung bis heute dauert (siehe Box).

Seit dieser Woche ist die Geschichte um ein Kapitel reicher: Das Bundesgericht stufte die Beweise in der von Staatsanwalt Andrej Gnehm (38, SVP) geleiteten Untersuchung als «nicht verwertbar» ein. Ein Schlag für den Zürcher Strafverfolger. Denn er setzte bei seiner Anklage gegen Mörgelis Ex-Kollegin Iris Ritzmann (54) auf die bei der Uni Zürich gesammelten Telefondaten und Mails. Das Verfahren Ritzmann ist damit wohl hinfällig. «Wir prüfen zurzeit den Rückzug der Berufung», sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Corinne Bouvard, auf Anfrage von SonntagsBlick. Damit würde das Urteil des Bezirksgericht Zürich vom 5. Dezember2014 rechtskräftig. Dieses sprach Ritzmann vom Vorwurf der mehrfachen Verletzung des Amtsgeheimnisses frei.

Der Solothurner Strafverteidiger und Dozent für Strafrecht, Konrad Jeker (52), kritisiert nun die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft: «Die Art, wie die Beweise in diesem Fall beschafft wurden, stinkt zum Himmel», sagt er gegenüber SonntagsBlick.

«Merkwürdig» findet Jeker, dass die Staatsanwaltschaft eine externe Firma beizog, um die Fernmeldedaten auszuwerten. Zwar sei dies rechtlich grundsätzlich möglich, doch «warum man nicht die Polizei mit dieser Aufgabe betraut hat, ist mir unverständlich», so
Jeker. 

Laut Bouvard von der Staatsanwaltschaft wird grundsätzlich die Polizei mit der Auswertung solcher Daten beauftragt. «Bei zeitlicher Dringlichkeit und mangels Kapazität kann es vorkommen, dass die Staatsanwaltschaft externe Firmen beiziehen muss.»

Die Herausgabe von Daten der Uni Zürich an die Staatsanwaltschaft zeigt allerdings auch, wie umfassend Ermittler Zugriff auf unsere Daten haben. Der Luzerner Nationalrat Franz Grüter (53, SVP) ist IT-Unternehmer und weiss: «Gesetzlich sind Telekomunternehmen in der Schweiz verpflichtet, alle Randdaten der letzten sechs Monate zu speichern.» Ein Richter könne deshalb jederzeit die Herausgabe solcher Daten anordnen und so nachvollziehen, wer mit wem in Kontakt stand. «Es ist eine Abwägung zwischen der Freiheit des einzelnen Bürgers und dem Bedürfnis nach Sicherheit», so Grüter. 

In den letzten Jahren sei das Pendel deutlich in Richtung Sicherheitsbedürfnis geschwungen, so Grüter. «Wir müssen aber aufpassen, dass die Schweiz kein NSA-Staat wird», sagt Grüter mit Blick auf die Möglichkeiten der US-Geheimdienste. Der Bürger müsse sich bewusst sein, dass jedes SMS, jede Whatsapp-Nachricht gespeichert bleibe – selbst wenn man die Nachricht danach lösche. «Personen, die in eine Untersuchung verwickelt werden, sind oft schockiert, wenn sie sehen, welche Daten für die Behörden zugänglich sind.»

Zumindest die Uni Zürich hat ihre Lehren aus der Affäre gezogen: Seit November 2015 hat sie einen Datenschutzbeauftragten engagiert.

Die Affäre Mörgeli

2012 zitierte der «Tages-Anzeiger» aus vertraulichen Berichten der Universität Zürich. Im Fokus: der damalige SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli (56) und seine Leistung als Leiter des Medizinhistorischen Instituts. Mörgeli wurde später entlassen. Mörgeli und die Uni klagten wegen Amtsgeheimnisverletzung. Bei der Untersuchung forderte die Staatsanwaltschaft das Hochschulamt auf, seine Daten auf Kontakte zu Journalisten zu prüfen. Schliesslich klagte Staatsanwalt Gnehm 2014 Mörgelis Ex-Arbeitskollegin Ritzmann an.

2012 zitierte der «Tages-Anzeiger» aus vertraulichen Berichten der Universität Zürich. Im Fokus: der damalige SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli (56) und seine Leistung als Leiter des Medizinhistorischen Instituts. Mörgeli wurde später entlassen. Mörgeli und die Uni klagten wegen Amtsgeheimnisverletzung. Bei der Untersuchung forderte die Staatsanwaltschaft das Hochschulamt auf, seine Daten auf Kontakte zu Journalisten zu prüfen. Schliesslich klagte Staatsanwalt Gnehm 2014 Mörgelis Ex-Arbeitskollegin Ritzmann an.

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