Der Europarat fordert totale Transparenz von Schweizer Abgeordneten
Die gläsernen Parlamentarier

Totale Transparenz fordert der Europarat von seinen Abgeordneten – auch von denen aus der Schweiz. Die eidgenössische Delegation ist uneins.
Publiziert: 19.08.2018 um 04:24 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 16:30 Uhr
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«Ich stehe voll und ganz hinter den neuen Bestimmungen», Alfred Heer, SVP.
Foto: Christian Lanz
Simon Marti

Der Europarat in Strassburg (F) ist eine Institution mit hehren Zielen – und tief sitzenden Problemen. In der jüngeren Vergangenheit plagten Korrup­tionsskandale die Parlamentarische Versammlung. 2017 wurde sogar deren Präsident zum Rücktritt gezwungen.

Um das Image des Debattenforums zu sanieren, müssen Abgeordnete aus 47 Mitgliedstaaten künftig Transparenz schaffen: Wie viel sie verdienen, wer ihre Wahlkämpfe in der Heimat unterstützt, welche gesponserten Reisen sie unternommen haben. Sogar über Tätigkeiten ihrer nahen Verwandten sollen die Politiker Rechenschaft ablegen. Im Herbst sollen die Informationen der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden.

Zwölf Schweizer National- und Ständeräte vertreten die Eidgenossenschaft in Strassburg. Die Regelung, die um ­einiges weiter geht als die Offenlegungspflicht hierzulande, gilt auch für sie.

Europaratspräsidentin Liliane Maury Pasquier (61, SP), Ständerätin aus Genf, begrüsst die Reform ausdrücklich.

Manche ihrer Landsleute aber wurden von der neuen Linie offenbar auf dem falschen Fuss erwischt. Der Tessiner CVP-Ständerat Filippo Lombardi (62), Präsident der Delegation, will zur Deklarationspflicht nicht Stellung nehmen, bis er sie mit seinen Landsleuten diskutiert hat.

«Das ist doch schizophren»

Auch seine Parteikollegin Elisabeth Schneider-Schneiter (54, BL) kann mit der Reform wenig anfangen: «Das ist doch schizophren. Da macht man ein solches Theater wegen des Datenschutzes, aber in Strassburg soll ich meine Mitgliedschaft bei der Spitex offenlegen?»

Es gehe niemanden etwas an, wie viel sie verdiene. «Diese Art der Transparenz kennen wir in der Schweiz nicht. Ein solches Bürokratiemonster wird die Korruption im Europarat nicht wirksam bekämpfen.» Ob sie der Offenlegungspflicht nachkommt, weiss sie noch nicht. Die Konsequenzen ­einer Weigerung stünden noch nicht fest, sagt sie.

Doris Fiala (61, FDP) sinniert derweil frei nach Gorbatschow: «Der Ruf nach Transparenz entspricht dem Zeitgeist. Und wer den Zeitgeist verkennt, den bestraft das Leben.» Ihr Dilemma: «Meine Partei in der Schweiz lehnt eine solche totale Offenlegung ab.» Es könne nicht sein, dass «nur wir im Europarat alles auf den Tisch legen müssen». Sie erwarte gleich lange Spiesse. Es sei zu bedenken, dass die Schweiz ein Milizparlament habe, so die Zürcherin. «Nun sollen wir jedes Mittagessen ausweisen müssen? Das geht zu weit. Der Europarat kippt von einem Extrem ins andere.»

SVP-Nationalrat Alfred Heer (56, ZH) hat in seiner Zeit als Präsident der Schweizer Delegation Druck gemacht, dass die Korruptionsvorwürfe in Strassburg genau untersucht werden.

«Die Eiterbeule ist dank der Schweizer Intervention geplatzt», sagt er heute. Die Sanktionierung einzelner Mitglieder habe nun dazu geführt, dass das Reglement verschärft wird. «Ich stehe voll und ganz hinter den neuen Bestimmungen», so Heer, «auch wenn diese gar weit gefasst sind.»

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