Morgen tagt der EU-Innenministerrat in Brüssel. Thema ist die Flüchtlingskrise. Auch die Schweiz wird dabei sein. Konkret geht es um die Frage, wie die Flüchtlinge künftig auf die einzelnen europäischen Staaten verteilt werden können. Für die ersten 120000 Menschen hat die EU-Kommission bereits am Mittwoch einen Plan vorgelegt (siehe Grafik).
Wie daraus hervorgeht, müsste die Schweiz anteilsmässig mehr Flüchtlinge aufnehmen als gleich grosse EU-Staaten wie etwa Österreich. Der Verteilschlüssel orientiert sich an der Bevölkerungszahl und der Zahl der bisherigen Asylanträge, aber auch am Bruttoinlandprodukt und der Arbeitslosenquote. Die Schweiz als reiches Land mit einer relativ tiefen Arbeitslosenquote müsste demnach proportional mehr Menschen aufnehmen als andere Staaten, grob geschätzt zwischen 5000 und 7000.
Kein Wunder, ist die EU mit der Schweiz im Asylbereich auf Schmusekurs. Der sozialdemokratische EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (59) lobte am gestrigen SP-Anlass in Turgi AG: «Die Schweiz macht deutlich mehr als andere Länder.» Er wünsche sich, dass andere Staaten unser Land zum Vorbild nehmen. Auch Befürchtungen, dass die Schweiz zum neuen Verteilsystem gar nichts zu sagen habe, versuchte er zu zerstreuen: «Es wird nichts über Ihre Köpfe entschieden.»
Der Vorschlag aus Brüssel kommt bei Schweizer Asylpolitiker gut an. Ein europäischer Verteilschlüssel für die Flüchtlinge aus den Krisenregionen wäre auch im Interesse der Schweiz, sagt der Präsident der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, Hans-Jürg Käser, in einem Interview gegenüber der NZZ am Sonntag.
Er unterstütze explizit eine europäische Migrationspolitik, sagte Käser. «Wurstelt jede Land allein, kommen wir nirgends hin». Aber alle EU-Staaten müssten sich angemessen beteiligen. Portugal zum Beispiel habe letztes Jahr gerade mal 440 Asylgesuche behandelt.
Eine Verknüpfung der Flüchtlingsfrage mit der Auszahlung der Kohäsionszahlungen an die EU-Oststaaten kommt für ihn jedoch nicht Frage. «Wollen wir rasch vorwärtskommen, ist es nicht sinnvoll, allerlei Bedingungen mit ins Spiel zu bringen», sagt Käser.
Auch die zuständige Bundesrätin Simonetta Sommaruga ist fürs EU-Quotensystem: «Ich werde mich am Montag beim Sondertreffen der europäischen Innen- und Justizminister dafür einsetzen», zitiert sie die Sonntagszeitung.
SVP-Präsident Toni Brunner läuft Sturm dagegen. «Wir weigern uns, ein fehlerhaftes System durch ein noch schlechteres zu ersetzen. Wenn nichts anderes hilft, lancieren wir eine Initiative zum Austritt aus Schengen/Dublin», droht Brunner.