Erneut sind Schweizer Waffen in den falschen Händen gelandet. Dieses Mal waren es Handgranaten aus der bundeseigenen Waffenschmiede Ruag. Wie der SonntagsBlick publik machte, befanden sich diese im Besitz von IS-Terroristen in Syrien.
Die Ruag geht davon aus, dass die Granaten Teil einer 2003 bewilligten Lieferung in die Vereinigten Arabischen Emirate waren, die von dort ins syrische Kriegsgebiet gelangten.
Kontrolleuren fehle «kritische Distanz»
Verbotenerweise, denn die Emirate hatten sich verpflichtet, die Waffen nicht weiterzugeben. Heisst: Nach Schweizer Gesetz lief alles ordnungsgemäss ab. In diesem Fall. Andere Waffengeschäfte werfen Fragen auf. Das zeigt ein neuer Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK).
Die Haushaltsprüfer des Bundes bemängeln, dass Schweizer Rüstungsfirmen Waffen über Drittstaaten an Länder liefern, in die eigentlich nicht exportiert werden darf. Unter den Augen der Beamten des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), denen die «kritische Distanz» zur Rüstungsindustrie fehle, wie es im Bericht heisst. Dabei sollten sie die strengen Exportregeln durchsetzen.
Beim dritten Versuch gibt es ein Ja
Ein Beispiel zeigt, wie die Regeln umgangen werden: Eine Berner Waffenfirma wollte Pistolen an Saudi-Arabien liefern. Ein direkter Export wäre vom Seco nicht bewilligt worden. Daher reichte die Firma im Juni 2012 ein Ausfuhrgesuch für komplette, aber in Einzelteile zerlegte Pistolen ein. Sie sollten via eine Tochterfirma in den USA nach Saudi-Arabien geschickt werden. Das Seco lehnte ab.
Neun Monate später gab das Seco grünes Licht. Der Waffenhersteller hatte eine Lücke im Kriegsmaterialgesetz gefunden: die sogenannte Baugruppen-Regelung. Liefert die Schweiz nur Einzelteile oder Halbfabrikate, die in einem vertrauenswürdigen Land wie den USA weiterverarbeitet werden, braucht es keine zusätzliche Bewilligung für den Weitertransport, zum Beispiel nach Saudi-Arabien – sofern die Schweizer Teile höchstens 50 Prozent der Herstellungskosten ausmachen. Bei den Pistolen waren es 42 Prozent.
Über die Hälfte aller Gesuche
Die Rüstungsindustrie weiss die Baugruppen-Regel zu nutzen: Gemäss EFK bezogen sich 2016 mehr als die Hälfte der Exportgesuche darauf. 2013 war es erst ein Drittel.
Möglich gemacht hat dieses Wachstum der Bundesrat. Mit einem Entscheid aus dem Jahr 2000. Damals verzichtete er in bestimmten Fällen auf die sogenannte Nichtwiederausfuhr-Erklärung – also das Versprechen, die Waffenteile nicht weiterzugeben. Das wurde jedoch nie kommuniziert und flog erst im Rahmen der Pistolen-Lieferung nach Saudi-Arabien auf.
Viele Stellen geschwärzt
Die EFK spart in ihrem Bericht denn auch nicht mit Kritik an der Landesregierung: Der Bundesrat sorge im Geheimen für eine «eher wirtschaftsfreundliche Umsetzung des Kriegsmaterialgesetzes». Sie empfiehlt, die Öffentlichkeit künftig zumindest über grundlegende Entscheide in Kenntnis zu setzen. Was der Bundesrat versprochen hat.
Wie ernst es der Regierung mit dieser Transparenz ist, bleibt abzuwarten. Beim EFK-Bericht geht die Offenheit jedenfalls noch nicht weit: Er ist an vielen Stellen geschwärzt. Auf Betreiben des Seco und des Generalsekretariats des Wirtschaftsdepartements von Johann Schneider-Ammann (66). Das bestätigt EFK-Direktor Michel Huissoud (61) auf Anfrage.
Die Kritisierten schiessen zurück
Kein Wunder: Das Seco hat gar keine Freude am Bericht. Dieser sei «politisch», «einseitig» und gar «fehlerhaft», bemängelt es in seiner Stellungnahme zum Bericht. Die Waffenkontrolleure des Bundes stellen sogar in Frage, ob die EFK ihrem gesetzlichen Auftrag gerecht wird. EFK-Chef Huissoud lässt das kalt: «Es ist eine unüblich kritische Stellungnahme.»
Der Bundesrat ist drauf und dran, Waffenexporte in Bürgerkriegsländer zu ermöglichen. BLICK hat den unmoralischen Entscheid in den letzten Tagen hart kritisiert.
Mitten in diese Diskussion platzt der Bericht der Finanzkontrolle. Sie hat unter die Lupe genommen, ob die Überprüfung der Kriegsmaterial-Ausfuhren funktioniert. Der Hauptbefund: Das Staatssekretariat für Wirtschaft hält sich an die Gesetze und Vorgaben, die untersuchten Waffen-Exporte wurden korrekt bewilligt.
Legale Umgehungstricks
Das ist eine gute Nachricht. Auch wenn bloss bestätigt wird, was man als Bürger erwarten darf: dass die Beamten ihren Job machen. Ein anderes Ergebnis wäre alarmierend gewesen.
Einige Befunde der Finanzkontrolle sind dennoch beunruhigend. So wird gezeigt, wie Schweizer Waffenschmieden die Bestimmungen umgehen können. Mit legalen Tricks und dank internationaler Verflechtungen wickeln sie Geschäfte ab, die in der Schweiz so nicht bewilligt würden. Das kann man nicht den Behörden vorwerfen. Es zeigt bloss den unbedingten Willen der Branche, ihr Business zu machen. Dies wiederum kann man nicht den Firmen vorwerfen.
Zu nah an den Lobbyisten
Der Vorwurf, der zu machen ist: Statt auf erhöhte Wachsamkeit stösst die Branche in Bundesbern auf weit offene Ohren und übertriebenes Wohlwollen. Die Finanzkontrolle stellt eine sehr grosse Nähe zur Wirtschaft fest und fordert von den Kontrollbeamten nachdrücklich «eine kritische Distanz zu den beaufsichtigten Firmen und ihren Lobbyisten» – offenbar hat sie konkrete Veranlassung zu diesem Aufruf.
Ausweitung der Kampfzone
Doch ist das mehr als ein frommer Wunsch an die Beamten? Von ihren Chefs erhalten sie nämlich entgegengesetzte Zeichen: Statt auf dem ohnehin heiklen Terrain bestehender Waffengeschäfte noch mehr Sorgfalt einzufordern, will die Bundesratsmehrheit die Kampfzone ausweiten und die Exportbestimmungen lockern. Eine überzeugende Begründung für diese Unnötigkeit in Zeiten von Kriegs- und Flüchtlingselend gibt es nicht. Dafür eine ernüchternde Erklärung: Willfährigkeit gegenüber den Rüstungsfirmen und ihren Lobbyisten.
Moralischer Kompass ist weg
Der Bundesrat hat beim Thema Rüstungsexporte den moralischen Kompass verloren und auch das Gespür fürs Land. Ökonomische Vernunft und Verständnis für die Anliegen der Wirtschaft sind in der Bevölkerung zum Glück weit verbreitet. Ebenso aber der Stolz auf die humanitäre Tradition und das Bewusstsein, dieses kostbare Erbe als Verpflichtung zu nehmen.
Es ist an der Zeit, den Bundesrat bei Waffenexporten teilweise zu entwaffnen. Mit weitreichenden Befugnissen und in vertraulichen Beschlüssen fällt er nicht nachvollziehbare Entscheide, die für die Schweiz von grösserer Bedeutung sind als Zahlen in der Aussenhandelsstatistik. Alles ist gut, was hier zu mehr Kontrolle und weniger Eigenmächtigkeit führt.
Der Bundesrat ist drauf und dran, Waffenexporte in Bürgerkriegsländer zu ermöglichen. BLICK hat den unmoralischen Entscheid in den letzten Tagen hart kritisiert.
Mitten in diese Diskussion platzt der Bericht der Finanzkontrolle. Sie hat unter die Lupe genommen, ob die Überprüfung der Kriegsmaterial-Ausfuhren funktioniert. Der Hauptbefund: Das Staatssekretariat für Wirtschaft hält sich an die Gesetze und Vorgaben, die untersuchten Waffen-Exporte wurden korrekt bewilligt.
Legale Umgehungstricks
Das ist eine gute Nachricht. Auch wenn bloss bestätigt wird, was man als Bürger erwarten darf: dass die Beamten ihren Job machen. Ein anderes Ergebnis wäre alarmierend gewesen.
Einige Befunde der Finanzkontrolle sind dennoch beunruhigend. So wird gezeigt, wie Schweizer Waffenschmieden die Bestimmungen umgehen können. Mit legalen Tricks und dank internationaler Verflechtungen wickeln sie Geschäfte ab, die in der Schweiz so nicht bewilligt würden. Das kann man nicht den Behörden vorwerfen. Es zeigt bloss den unbedingten Willen der Branche, ihr Business zu machen. Dies wiederum kann man nicht den Firmen vorwerfen.
Zu nah an den Lobbyisten
Der Vorwurf, der zu machen ist: Statt auf erhöhte Wachsamkeit stösst die Branche in Bundesbern auf weit offene Ohren und übertriebenes Wohlwollen. Die Finanzkontrolle stellt eine sehr grosse Nähe zur Wirtschaft fest und fordert von den Kontrollbeamten nachdrücklich «eine kritische Distanz zu den beaufsichtigten Firmen und ihren Lobbyisten» – offenbar hat sie konkrete Veranlassung zu diesem Aufruf.
Ausweitung der Kampfzone
Doch ist das mehr als ein frommer Wunsch an die Beamten? Von ihren Chefs erhalten sie nämlich entgegengesetzte Zeichen: Statt auf dem ohnehin heiklen Terrain bestehender Waffengeschäfte noch mehr Sorgfalt einzufordern, will die Bundesratsmehrheit die Kampfzone ausweiten und die Exportbestimmungen lockern. Eine überzeugende Begründung für diese Unnötigkeit in Zeiten von Kriegs- und Flüchtlingselend gibt es nicht. Dafür eine ernüchternde Erklärung: Willfährigkeit gegenüber den Rüstungsfirmen und ihren Lobbyisten.
Moralischer Kompass ist weg
Der Bundesrat hat beim Thema Rüstungsexporte den moralischen Kompass verloren und auch das Gespür fürs Land. Ökonomische Vernunft und Verständnis für die Anliegen der Wirtschaft sind in der Bevölkerung zum Glück weit verbreitet. Ebenso aber der Stolz auf die humanitäre Tradition und das Bewusstsein, dieses kostbare Erbe als Verpflichtung zu nehmen.
Es ist an der Zeit, den Bundesrat bei Waffenexporten teilweise zu entwaffnen. Mit weitreichenden Befugnissen und in vertraulichen Beschlüssen fällt er nicht nachvollziehbare Entscheide, die für die Schweiz von grösserer Bedeutung sind als Zahlen in der Aussenhandelsstatistik. Alles ist gut, was hier zu mehr Kontrolle und weniger Eigenmächtigkeit führt.