Wie kommt die Schweiz aus dem Corona-Lockdown heraus? Ab 26. April will der Bundesrat die Massnahmen lockern. Wie genau, ist noch unklar. Gesundheitsminister Alain Berset (47) macht aber immer wieder deutlich: Es wird eine schrittweise Öffnung geben. Und sie wird dauern.
Die Denkfabrik Avenir Suisse schlägt jetzt so ziemlich das Gegenteil vor: Alle sollen gleichzeitig wieder öffnen können – wenn sie denn die Hygienemassnahmen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) einhalten. In einem am Dienstag veröffentlichten Konzept skizziert der liberale Thinktank seinen «Fahrplan für den Corona-Exit».
Auch Bars und Restaurants öffnen
Die Autoren um Direktor Peter Grünenfelder (53) warnen davor, es nur einzelnen Branchen zu gestatten, wieder die Türen zu öffnen. Keinesfalls dürfe der Bundesrat auf Unternehmensebene entscheiden. Das käme einer «planwirtschaftlichen Lösung» gleich. «Jegliche betrieblichen Aktivitäten sollen generell erlaubt sein», so Avenir Suisse.
Öffnen dürfen nach dem Willen der Denkfabrik all jene Betriebe, die deklarieren, die Hygienemassnahmen einzuhalten – auch Restaurants und Bars. Eine Bewilligung fällt weg. Es soll aber Kontrollen durch den Bund geben. Strengere Regeln sind dort erwähnt, wo es ohne Körperkontakt nicht geht – etwa in Coiffeursalons und bei der Physiotherapie. Dort könnte es eine Maskentragepflicht geben. Homeoffice soll auf freiwilliger Basis beibehalten und die Digitalisierung dafür vorangetrieben werden.
Selbstdeklaration mit «Potenzial»
Der Vorschlag von Avenir Suisse trifft auf die Zustimmung der Anhänger einer schnellen Lockerung des Lockdowns – gerade aus der Wirtschaft. So kommt er bei FDP-Chefin Petra Gössi (44) gut an. «Avenir Suisse leistet mit dem Papier einen wertvollen Beitrag», sagt sie zu BLICK. Wo gesundheitlich vertretbar, müssten die Eingriffe so schnell wie möglich zurückgefahren werden.
Ins selbe Horn bläst SVP-Nationalrätin Esther Friedli (42). Sie räumt aber ein: «Realistischerweise» werde das Ende des Lockdowns schrittweise geschehen. Es sei aber wichtig, dass auch Gastronomiebetriebe möglichst bald ihre Arbeit wieder aufnehmen können.
Bei Restaurants sieht GLP-Chef Jürg Grossen (50) jedoch eine mögliche Schwierigkeit beim gleichzeitigen Öffnen. Doch: «Mit etwas Kreativität und Selbstdisziplin der Gäste lassen sich die Hygienemassnahmen auch dort umsetzen.» Er sieht vor allem im Ansatz der Selbstdeklaration Potenzial.
Risiko Neuansteckungen
Anders klingt es von links: «Die Ansteckungsgefahr ist nicht bei allen Tätigkeiten gleich», argumentiert SP-Fraktionschef Roger Nordmann (47). «Aus Wettbewerbsfetischismus alles gleichzeitig öffnen zu wollen, ist reine Ideologie», wettert er. Ideologie helfe kaum gegen ein Virus.
Auch für Regula Rytz (58), Parteichefin der Grünen, ist der Avenir-Suisse-Vorschlag zu riskant. «Es wäre verantwortungslos, eine zweite Ansteckungswelle zu riskieren», sagt sie. Eine schrittweise Lockerung erlaube es, schnell zu reagieren, falls die Anzahl Neuansteckungen wieder steige. «Wir müssen davon ausgehen, dass der Ausstieg aus dem Lockdown viele Monate dauern wird.»
Ein bis zwei Wochen länger Lockdown
So oder so: Bis es mit dem Corona-Exit losgeht, braucht es noch Zeit – auch aus Sicht von Avenir Suisse. Die Autoren rechnen gar mit einem Lockdown, der ein bis zwei Wochen später als bislang angenommen starten könnte. Denn noch gibt es zu viele Fälle, um bei Ansteckungen nachverfolgen zu können, wer mit diesen Personen in Kontakt kam. Neben dem Eindämmen der Neuinfektionen sei das entscheidend. Letzteres sei allerdings mit erheblichem Aufwand verbunden – und wohl nicht möglich, ohne die Bevölkerung zur Nutzung einer entsprechenden App zu zwingen.