In einer Demokratie braucht es lebendige Wahlkämpfe. Und für Wahlkämpfe braucht es Geld, viel Geld. Will im Kanton Bern ein Ständerat wiedergewählt werden, muss er laut Insidern mindestens 250'000 Franken aufwerfen – für Inserate, Plakate, Spots und Ähnliches. Im Kanton Zürich benötigt ein Kandidat wie FDP-Mann Ruedi Noser, der neu in den Ständerat will, 800'000 bis eine Million Franken.
Auch bei Kandidaten für den Nationalrat reichen die Kleinspenden von Freunden und Verwandten nicht. In diese Lücke springen Interessenverbände und Firmen gerne. Dies zeigt eine Umfrage von SonntagsBlick bei Verbänden, PR-Agenturen und grossen Firmen.
Während in den USA jeder Wahlspenden-Dollar offengelegt werden muss, ist der Spendenmarkt in der Schweiz ohne Leitplanken und läuft hinter verschlossenen Türen. Die meisten der über 70 angeschriebenen Akteure wollen nicht sagen, an wen sie spenden.
Erstaunlich offen zeigt sich PR-Unternehmer Walter Stüdeli. Seine Agentur Köhler, Stüdeli & Partner mache Wahlspenden an fünf National- und Ständeräte aus FDP, CVP, SP, Grüne und SVP von je 1'000 Franken. Drei weitere Politiker unterstütze er gratis in strategischen und operativen Fragen. «Die Wahlkampfspende ist ein kleiner Dank für die gute Zusammenarbeit in der vergangen Legislatur», sagt Stüdeli. Nennen will er die Namen der Politiker nicht: «Machen wir die Namen öffentlich, dann weckt das Begehrlichkeiten.»
Ganz wohl ist dem PR-Berater bei den Spenden nicht. Unverblümt gibt mit Stüdeli erstmals ein Insider zu: «Das ist wahrscheinlich der heikelste Bereich im ganzen Lobbying.» Hier sei die Branche weitgehend intransparent. Die verdeckten Wahlspenden seien eine «grosse Dunkelkammer».
Im Wahlkampf werden Abhängigkeiten geschaffen. PR-Firmen und Verbände sichern sich mit den Spenden für die nächste Legislatur Gegengeschäfte mit Politikern. «Es geht vielfach um hohe Beträge. Und für grössere Spenden werden Gefälligkeiten erwartet», bestätigt Stüdeli.
Der Berner PR-Berater ist die grosse Ausnahme. Andere angefragte PR-Firmen geben sich völlig zugeknöpft. So kam von der Agentur Burson-Marsteller nicht einmal eine Antwort auf die SonntagsBlick-Anfrage. Daniel Heller (55) von Farner Consulting sagt, die Firma unterstütze «finanziell keine Kandidaten». Ob Farner Politiker mit anderen Leistungen unterstützt, lässt er aber offen. Die Dynamics Group zahlt laut Andreas Durisch (60) keine Parteispenden; aber man unterstütze Kandidierende der FDP bei der Wahlkampfarbeit.
Bei der Berner PR-Firma Furrer-Hugi darf die Mitarbeiterin Claudine Esseiva (36, FDP), die für einen Ständeratssitz kandidiert, während der Arbeitszeit Wahlkampf machen. Die Firma tätigt aber laut Agentur-Partner Lorenz Furrer (47) keine Spenden. Das sei «Privatsache», sagt er. Im Unterschied zu einem Lobbying-Projekt, wo Transparenz angebracht sei, habe ein Wahlkampf eine persönliche und ehrenamtliche Dimension.
«Volle Transparenz zu fordern halte ich für unser Milizsystem als kontraproduktiv», sagt Furrer. Ob er als Privatperson Erdbebenopfer in Nepal oder einen Kandidierenden mit einer Spende beschere, gehe niemanden etwas an.
PR-Firmen sind bei Wahlspenden nur die Spitze des Eisbergs. Noch wichtiger sind Interessengruppen und Firmen. Etliche Verbände geben in der SonntagsBlick-Umfrage zwar an, keine direkten Wahlspenden zu machen. Unterstützt werden Kandidaten aber auch anderweitig.
So bietet etwa Economiesuisse den bürgerlichen Parteien unentgeltliche Medientrainings an. Bei den Wirtschaftsverbänden fliesst das Geld in den Kantonen. So investieret im Thurgau der Gewerbeverband laut «Thurgauer Zeitung» je 100'000 Franken in «seine» Kandidaten.
Oft werden genehme Kandidaten auch in den eigenen Publikationen und Inseraten vermarktet, so bei der Lungenliga oder beim WWF. Beliebt sind auch Kandidaten-Rankings, wie vom VCS oder Konsumentenschutz.
Dabei bleibt es aber nicht. Andere Verbände und Unternehmen sichern sich im Wahlkampf mit Spenden direkten Einfluss. Besonders umgarnt werden die Gesundheitspolitiker.
Die Pharmafirma Galenica unterstützt laut einer Sprecherin Parteien und Politiker, welche sich für «Patienteninteressen und die Erhaltung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen in der Schweiz» einsetzen würden. Beträge nennt Galenica nicht. Auch Novartis will über die Höhe einzelner Beträge an Parteien keine Auskunft geben.
Ebenso zugeknöpft gibt sich der Krankenkassenverband Santésuisse. Im Interesse der Prämienzahler arbeite man je nach Thema mit Politikerinnen und Politikern unterschiedlicher Ausrichtung zusammen. Der Wirtschaftsverband Scienceindustries schreibt, er gebe «keine Zahlen zur Unterstützung von Wahlkämpfen bekannt».
Etwas offener ist der Apothekerverband Pharmasuisse. Er unterstützt laut einer Sprecherin rund 30 Kandidierende aus mehreren Parteien mit insgesamt rund 50'000 Franken. An wen das Geld fliesst, bleibt aber auch hier im Dunkeln.
Sogar der kleine Dachverband Komplementärmedizin Dakomed investiert 20'000 Franken in acht National- und Ständeräte aus SP, Grünen, GLP, FDP und SVP. Das Offenlegen der Spenden sei aber Sache der einzelnen Politiker, sagt Dakomed-Präsidentin und SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher (51). Sie selbst erhalte 5'000 Franken.