In ihrer Jugend war Katharina Prelicz-Huber (60) damit beschäftigt, Aludeckeli vor dem Abfall zu retten. Ein Recyclingsystem gab es damals nicht: Der gesamte Abfall – Glas, Batterien, Aludosen – landete im Kehrichtsack. Also zogen die Mitglieder der lokalen Umweltgruppe die Deckeli von den Joghurts ab, wuschen sie sorgfältig und schickten sie den Herstellern zurück. In der Hoffnung, die Aluhäufchen würden recycelt.
Franziska Ryser (28) trennt ihre Joghurtdeckeli ebenfalls brav von der Verpackung. Als Jugendliche aber trieben sie ganz andere Dinge um. Ob es Sinn mache, Solarpanels auf dem Dach der Kantonsschule zu installieren, zum Beispiel. Und wie lange es dauern würde, um die Kosten dafür zu amortisieren. Fragen, denen sie in ihrer Maturarbeit nachging. Heute tüftelt die Robotik-Expertin an der ETH an tragbaren Schlafsensoren herum.
Vom Rand zur Mitte der Gesellschaft
Katharina Prelicz-Huber und Franziska Ryser sind am vergangenen Sonntag für die Grünen in den Nationalrat gewählt worden. Und doch verkörpern sie zwei ganz unterschiedliche Generationen von Grünen-Politikerinnen. Sie stehen damit sinnbildlich für den Weg, den die Partei in den letzten 40 Jahren zurückgelegt hat: Von den Rändern hin zur Mitte der Gesellschaft.
Prelicz-Huber erinnert sich an ihre Anfänge bei den Grünen in den 1980ern: «Wir galten als die Schrägen – die Seiden-Wolle-Bast-Fraktion in Heilandsandalen.» Von der Mehrheitsgesellschaft kritisch beäugt, führten sie Friedensmärsche durch, engagierten sich für die Legalisierung von Drogen und wehrten sich mit Händen und Füssen gegen den Bau neuer AKW. «In den Augen der braven Bürger war klar: Diese Hippies sind mit Drogen vollgepumpt und kommen deshalb auf solch schräge Ideen», sagt Prelicz-Huber.
Ausgegrenzt, belächelt, bespitzelt – diese Zeiten sind vorbei. Die heutige Generation junger Grünen-Politiker muss sich für ihr Engagement nicht länger rechtfertigen. Das stellt auch Parteipräsidentin Regula Rytz fest. «Viele der neu Gewählten haben eine andere Prägung als die Grünen der ersten Generation», sagt sie. «Sie mussten weniger gegen den Strom schwimmen.»
Politologin und Notar
Je mehr die Grünen gewachsen sind, desto vielfältiger sind auch die Profile ihrer Vertreter geworden. So fühlt sich Maschinenbauingenieurin Franziska Ryser in ihrer Partei keineswegs als Exotin. Sie kenne viele grüne Ingenieure und Naturwissenschaftlerinnen, sagt sie. Und unter den Neugewählten finden sich nebst dem Biobauern und der veganen Aktivistin auch eine Anwältin, eine Politologin oder ein Notar.
Anders als Prelicz-Huber musste sich Ryser für ihre Parteizugehörigkeit nie verteidigen. Im Gegenteil: «Die meisten finden es toll, wenn sie hören, dass ich mich für die Umwelt einsetze.» Präsidentin Rytz führt dies darauf zurück, dass sich auch die Gesellschaft verändert habe: «Viele unserer Ideen, die vor 20 Jahren als fremdartig galten, sind heute im Alltag angekommen.»
Tatsächlich sind die Grünen nicht nur in der Mitte der Gesellschaft angekommen, sondern werden dort fast schon sehnsüchtig erwartet. Darauf lässt eine Anekdote schliessen, die Prelicz-Huber erzählt: Kürzlich sei sie mit den Grünen an eine Demonstration gegangen. «Als wir unser Transparent entrollten, wurde uns applaudiert!», sagt sie erstaunt. «Das ist mir in 30 Jahren noch nie passiert.»
Kilian Baumann ist mit Politik aufgewachsen: Seine Eltern sassen beide im Nationalrat, sie für die SP, er für die Grünen; Vater Ruedi Baumann war sogar Präsident der Grünen. Er selbst wollte eigentlich nicht in die Politik einsteigen – mit der Übernahme des elterlichen Hofs im Alter von 21 Jahren hatte Kilian Baumann genug zu tun. Vor fünf Jahren ist er dem Ruf der Politik dann aber doch erlegen: Seither politisiert Baumann für die Grünen im Berner Grossrat.
Als neu gewählter Nationalrat will er sich – natürlich – fürs Klima einsetzen. Wobei er überzeugt ist, dass vom Klimaschutz auch die Bauern profitieren: «Sie sind von Trockenheit, Hangrutschen und Überschwemmungen direkt betroffen.» Umso mehr ärgert es Baumann, dass sich die SVP als Bauernpartei inszeniere, obwohl sie Massnahmen zum Klimaschutz ablehne. Sein Fazit: «Die reichen Herren aus Zürich und Herrliberg machen Politik für die Superreichen – nicht für die Bauern in Bergtälern!»
Kilian Baumann ist mit Politik aufgewachsen: Seine Eltern sassen beide im Nationalrat, sie für die SP, er für die Grünen; Vater Ruedi Baumann war sogar Präsident der Grünen. Er selbst wollte eigentlich nicht in die Politik einsteigen – mit der Übernahme des elterlichen Hofs im Alter von 21 Jahren hatte Kilian Baumann genug zu tun. Vor fünf Jahren ist er dem Ruf der Politik dann aber doch erlegen: Seither politisiert Baumann für die Grünen im Berner Grossrat.
Als neu gewählter Nationalrat will er sich – natürlich – fürs Klima einsetzen. Wobei er überzeugt ist, dass vom Klimaschutz auch die Bauern profitieren: «Sie sind von Trockenheit, Hangrutschen und Überschwemmungen direkt betroffen.» Umso mehr ärgert es Baumann, dass sich die SVP als Bauernpartei inszeniere, obwohl sie Massnahmen zum Klimaschutz ablehne. Sein Fazit: «Die reichen Herren aus Zürich und Herrliberg machen Politik für die Superreichen – nicht für die Bauern in Bergtälern!»
Die Schweiz hat ihre eigene grüne Greta: die Tessinerin Greta Gysin. «Ich war Greta, bevor es cool war», schrieb die neu gewählte Nationalrätin auf ihrem Instagram-Account noch während des Wahlkampfs. Dennoch konnte sie die immer gleichen Fragen zu ihrem Namen am Ende nicht mehr hören. «Lieber hätte ich über Inhalte gesprochen», sagt Gysin, die mit 23 Jahren die Jungen Grünen Tessin gründete.
In ihrem Kanton ist sie die treibende Kraft ihrer Partei: Gysin stand hinter der Mindestlohn-Initiative, die 2015 von den Tessinern angenommen wurde. Überhaupt, die Saläre: Gysin ist klare Befürworterin von schärferen flankierenden Massnahmen. «Wir sehen im Tessin Verträge mit Löhnen von 2500 Franken», sagt sie. Sie ist überzeugt: «Diese negativen Auswirkungen der Personenfreizügigkeit werden im Rest der Schweiz völlig unterschätzt.» In Bern will sich die zweisprachig aufgewachsene Gysin deshalb neben ökologischen Anliegen für einen griffigen Lohnschutz einsetzen.
Die Schweiz hat ihre eigene grüne Greta: die Tessinerin Greta Gysin. «Ich war Greta, bevor es cool war», schrieb die neu gewählte Nationalrätin auf ihrem Instagram-Account noch während des Wahlkampfs. Dennoch konnte sie die immer gleichen Fragen zu ihrem Namen am Ende nicht mehr hören. «Lieber hätte ich über Inhalte gesprochen», sagt Gysin, die mit 23 Jahren die Jungen Grünen Tessin gründete.
In ihrem Kanton ist sie die treibende Kraft ihrer Partei: Gysin stand hinter der Mindestlohn-Initiative, die 2015 von den Tessinern angenommen wurde. Überhaupt, die Saläre: Gysin ist klare Befürworterin von schärferen flankierenden Massnahmen. «Wir sehen im Tessin Verträge mit Löhnen von 2500 Franken», sagt sie. Sie ist überzeugt: «Diese negativen Auswirkungen der Personenfreizügigkeit werden im Rest der Schweiz völlig unterschätzt.» In Bern will sich die zweisprachig aufgewachsene Gysin deshalb neben ökologischen Anliegen für einen griffigen Lohnschutz einsetzen.