In Bern gibt es nach dem überraschenden Rücktritt von Aussenminister Didier Burkhalter (FDP) nur ein Thema: Wer tritt seine Nachfolge an. Heiss diskutiert wird auch die Frage: Aus welcher Region soll die neue Bundesrätin oder der neue Bundesrat kommen? Die FDP will auf jemanden aus der lateinischen Schweiz setzen.
Als Erstes denkt man da natürlich ans Tessin. Denn seit der Ära von CVP-Innen- beziehungsweise Aussenminister Flavio Cotti – er trat 1999 zurück – hatte der Südkanton keinen eigenen Bundesrat mehr. Dazu kommt: Mit einem Tessiner Sitz wäre auch die italienischsprachige Schweiz wieder in der Regierung vertreten.
In der Poleposition für das Rennen um Burkhalters Sitz steht darum FDP-Fraktionschef Ignazio Cassis (56). Ob er antritt, lässt er noch offen. «Es ist ein schwieriger Entscheid, den man nicht auf die Schnelle trifft», sagte er gestern zu BLICK.
Cassis ist seit 2015 Chef der FDP-Fraktion im Bundeshaus. Er steht auch an der Spitze der wichtigen Gesundheitskommission, des Krankenkassenverbands Curafutura und des Heimverbands Curaviva. 70- bis 80-Stunden-Wochen seien für den ehemaligen Tessiner Kantonsarzt keine Ausnahme, schrieb die «Schweizer Illustrierte» im Mai.
Dort sagte Cassis auch: «Ich mache es ja gern. Die fünf Zigaretten pro Tag sind gesundheitlich wohl ein grösseres Laster!» Bei einer allfälligen Kandidatur würde dem Mediziner, der zusammen mit seiner Frau Paola (54) in einem Haus in den Hügeln von Montagnola bei Lugano lebt, seine perfekte Dreisprachigkeit sicher nicht als Nachteil angelastet.
Der aktuelle Finanzdirektor und seine Vorgängerin
Neben Cassis werden auch FDP-Finanzdirektor Christian Vitta (44) oder die frühere Regierungsrätin Laura Sadis (56) als Tessiner Kandidaten gehandelt. Vitta wird auch von Tessiner CVPlern als potenzieller Kandidat angeschaut.
So sagte Nationalrat Marco Romano heute zu BLICK: «Die FDP Tessin hat fähiges Personal. Ich bin ein Fan von Ignazio Cassis, doch es gibt auch andere, etwa im Regierungsrat.»
Vitta steht noch am Anfang seiner politischen Karriere. Vielleicht käme eine Kandidatur noch zu früh. Der Vater von drei Kindern hat einen Doktortitel in Ökonomie und schon eine beachtliche Ochsentour hinter sich. Er war Gemeinderat, Gemeindepräsident und Kantonsrat, bevor er im April 2015 nach der Wahl als Staatsrat das Finanzdepartement des Kantons Tessin übernahm.
Eine Kandidatin mit Ausstrahlung wäre ohne jeden Zweifel Laura Sadis. Doch der Abgang der Vorgängerin von Vitta im Finanzministerium des Südkantons war mit Getöse erfolgt: Sadis konnte am Abstimmungssonntag im Mai 2014 zufrieden bekannt geben, dass ihre beiden Vorlagen – Steueramnestie und Schuldenbremse – vom Volk angenommen worden waren. Danach kündigte sie an, bei den Wahlen 2015 nicht mehr für eine dritte Amtszeit zu kandidieren.
Seit der Vorsitz der Tessiner FDP gewechselt habe, sei keine Gelegenheit ausgelassen worden, um ihr «die Arbeit zu erschweren», schrieb damals die «NZZ». Danach setzte Sadis auf eine Karriere in der Wirtschaft. So sitzt sie seit 2016 im Verwaltungsrat des Versicherungskonzerns Mobiliar.