Tamy Glauser (34) will nicht mehr. Knapp drei Monate vor den Wahlen im Oktober hat das Topmodel am Mittwoch seine Kandidatur für den Nationalrat zurückgezogen. Eine Überraschung, nicht nur für die Zürcher Grünen selbst, die sie auf den Listenplatz 10 gesetzt hatten.
Überrascht ist auch Politologe Mark Balsiger (52). «Immerhin begann der Flirt von Tamy Glauser und den Grünen ja schon im letzten Herbst.» Dass es die harsche Reaktion auf ihre Veganer-Blut-Aussage war, die Glauser vom Rückzug überzeugt hat, kann Balsiger gut verstehen. Zu Erinnerung: Veganerin Glauser hatte auf Instagram geschrieben, dass Blut von Veganern Krebszellen töten könne – was wissenschaftlich nicht bewiesen ist. Entsprechend gross war die Kritik – auch von Seiten der Grünen selbst.
«Ich hatte Mitleid mit ihr»
«Die Wucht, mit der die Kritik und die Häme auf Tamy Glauser niederging, war wirklich riesig», sagt Balsiger. Die Medien hätten das Thema hochgespielt – weil sie davon profitierten. «Ich hatte Mitleid mit ihr – wer hat nicht schon einmal etwas Unbeholfenes gesagt? Manchmal würde uns allen Kulanz besser stehen», findet der Politologe.
Doch auch Balsiger findet, dass Glausers Einstieg in die Politik misslungen sei: «Tatsächlich hat Tamy Glauser einen politischen Fehlstart hingelegt.» Das sei aber nicht allein ihre Schuld, nimmt er auch ihre Partei in die Pflicht: «Warum haben die Grünen sie – im Wissen, dass sie eine Quereinsteigerin ohne politische Erfahrung ist – nicht besser gecoacht?» Man hätte ihr beispielsweise eine erfahrene Mentorin zu Verfügung stellen können, mit dem sie sich hätte absprechen können.
Weniger lebenserfahren als andere Quereinsteiger
Zeigt das Beispiel Glauser nicht, dass Quereinsteiger besser die Finger von der Politik lassen sollten? Nein, sagt Balsiger. Denn es gebe ja auch Erfolgsgeschichten: Quereinsteiger wie SVP-Nationalrat und «Weltwoche»-Verleger Roger Köppel (54), der ehemalige TV-Journalist und heutige SP-Nationalrat Matthias Aebischer (51) und gar alt Bundesrat Johann Schneider-Ammann (67), der vor seiner Wahl in den Nationalrat mit 47 Jahren als Firmen-Patron wirkte. «Im Vergleich zu ihnen ist Tamy Glauser aber weniger lebenserfahren und auch weniger politiknah. Darum war die Erfahrung für sie sicher viel belastender.»
Lose-lose-Situation
Für Balsiger ist Glauser aber nicht das einzige Opfer. Auch die Grünen würden nun verlieren: «Die Kandidatur war eine Win-win-Situation: Die Grünen konnten mit einer sehr populären jungen Frau in den Wahlkampf ziehen, die ihnen auch noch Medienpräsenz brachte», sagt er. «Und Tamy Glauser konnte sich in einem ganz neuen Feld erproben.»
Immerhin: Mitglied der Grünen will Glauser bleiben. Und künftig vielleicht wirklich einmal kandidieren. «Wer weiss», schreibt sie in ihrem Post, «vielleicht gibts in vier oder acht Jahren sogar eine reifere und stärkere Nationalratskandidatin Tamy Glauser.»