Das müssen Sie über die Abstimmung wissen
Die grosse Schlacht um die AHV ist lanciert

Sollen die AHV-Renten um 10 Prozent erhöht werden? Am 25. September entscheidet das Stimmvolk über diese Frage. BLICK erklärt, was alles mit der AHV-Initiative der Gewerkschaften zusammenhängt.
Publiziert: 15.08.2016 um 10:57 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:43 Uhr
Ruedi Studer

Die grosse Schlacht um die AHV ist lanciert. Am 25. September kommt die AHV-Plus-Initiative der Gewerkschaften vors Volk – und gemäss einer Tamedia-Umfrage würden derzeit 60 Prozent Ja stimmen, nur 32 Prozent sind dagegen.

Heute tritt das bürgerliche Nein-Komitee vor die Medien, um Boden gut zu machen. BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen zur Abstimmung.

Was verlangt die Initiative?

Die  Initiative «AHV plus – für eine starke AHV» der Gewerkschaften verlangt, dass alle laufenden und künftigen AHV-Altersrenten um 10 Prozent erhöht werden.

Heute beträgt die monatliche AHV-Minimalrente 1175 Franken für eine Einzelperson sowie 2350 Franken für Ehepaare. Die Maximalrente liegt bei Franken für 2350 Franken für Einzelpersonen und 3525 Franken für Ehepaare.

Im Dezember 2013 reichten die Gewerkschaften ihre AHV-Plus-Initiative mit über 110'000 Unterschriften ein. Am 25. September 2016 entscheidet nun das Stimmvolk über die zehnprozentige Rentenerhöhung.
Foto: PETER SCHNEIDER

Weshalb wurde die Initiative lanciert?

Für die Initianten ist klar, dass die heutigen AHV-Renten zu tief sind. Seit 40 Jahren seien die AHV-Renten nicht mehr grundsätzlich verbessert worden. Sie würden lediglich alle zwei Jahre der Teuerung und nur teilweise der Lohnentwicklung angepasst.

Ihr Fazit: «Die AHV-Renten hinken den Löhnen hinterher. Eine Aufbesserung ist überfällig, umso mehr als die Pensionskassenrenten unter Druck stehen.»

Was kostet das Ganze?

2015 wurden über 41 Milliarden Franken an AHV-Renten ausgezahlt. Tendenz steigend! Bei einer zehnprozentigen Erhöhung werden jährlich über 4 Milliarden Franken zusätzlich fällig. Bis im Jahr 2030 dürfte der Zusatzbedarf auf 5,5 Milliarden ansteigen.

Im Gegenzug dürften aber die Kosten bei den Ergänzungsleistungen (EL) um über 300 Millionen Franken jährlich sinken.

Foto: KEY

Wer bezahlt?

Die Initiative schreibt keine konkrete Finanzierung vor. Den Initianten schwebt aber eine Finanzierung via zusätzliche Lohnprozente vor: Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssten je 0,4 Prozent mehr einbezahlen. Das sei vertretbar, sagen die Initianten, denn: «Die Lohnnebenkosten für die AHV bleiben mit je 4,6 Prozent immer noch niedrig.»

Ein Beispiel: Bei einem Bruttojahreslohn von 54‘000 Franken würde der zusätzliche Lohnabzug pro Jahr 220 Franken betragen, rechnen die Initianten vor. Dem stehe für die überwiegende Mehrheit der Rentner eine jährliche Rentenerhöhung von über 2000 Franken gegenüber.

Anstelle von oder in Kombination mit Lohnprozenten sind aber auch weitere Finanzierungsquellen etwa via Tabak-, Alkohol- oder Mehrwertsteuer-Einnahmen denkbar.

Wie argumentieren die Gegner?

Für die bürgerlichen Gegner ist die Initiative schlicht nicht finanzierbar. Mittelfristig würden der AHV auch ohne Initiative jährlich 7,5 Milliarden Franken fehlen, warnen sie. Mit der Initiative kämen weitere 5,5 Milliarden hinzu. «Damit müssten wir alle Jahr für Jahr ein Loch von 13 Milliarden Franken stopfen.»

Gegen den Strich geht den Gegnern zudem, dass alle Rentner mehr Rente erhalten würden: «Diese Verteilung nach dem Giesskannenprinzip ist unsolidarisch und teuer.» 

Und sie warnen, dass die Initiative die Situation vieler EL-Bezüger gar verschlechtern würde. Die AHV-Rente müsse nämlich versteuert werden, Ergänzungsleistungen hingegen nicht.

Was bedeutet ein Ja für die Altersvorsorge-Reform 2020?

SP-Bundesrat Alain Berset hat ein Paket vorgelegt, mit welchem er die Reform der ersten und zweiten Säule gleichzeitig angehen will. AHV und Pensionskassen sollen also aufeinander abgestimmt reformiert werden.

Bei einem Ja zur Initiative wäre die Berset-Reform sicher nicht vom Tisch, doch Bundesrat und Parlament müssten noch einmal über die Bücher. Denn mit der Initiative wäre ein dicker Pflock bei der heiss umstrittenen Frage der AHV-Renten eingeschlagen.

Das hätte insbesondere Auswirkungen auf die Reform der zweiten Säule: Ein Senkung des BVG-Umwandlungssatzes dürfte vor dem Volk höhere Chancen haben, wenn dieser höhere AHV-Renten gegenüberstehen. Allerdings könnten die Bürgerlichen auch versucht sein, das AHV-Rentenalter über 65 hinaus zu erhöhen.

Welchen Einfluss hat ein Nein?

Der Ausgang der Abstimmung hat so oder so Signalwirkung – auch bei einem Nein.

Ein hoher Ja-Anteil ist ein Fingerzeig, dass das Parlament bei der Altersvorsorge-Reform nicht überborden darf. Die angedachte Erhöhung des Rentenalters auf de facto 67 wäre damit wohl vom Tisch. Und die Chancen für die vom Ständerat vorgeschlagene AHV-Rentenerhöhung von 70 Franken bei neuen Einzelrenten dürften steigen.

Ein tiefer Ja-Anteil hingegen könnte von den Bürgerlichen als Signal für eine «harte» Reform verstanden werden. Also ohne jegliche AHV-Rentenerhöhung, dafür mit einem höheren Rentenalter und einer starken Senkung des BVG-Umwandlungssatzes.

Wer ist dafür?

Auf der Ja-Seite kämpfen zahlreiche Gewerkschaften und die grossen Arbeitnehmer-Organisationen des öffentlichen Dienstes. Von den Parteien stehen etwa SP und Juso sowie Grüne und Junge Grüne hinter der Initiative.

Zu den Befürwortern zählen aber auch Rentner-Verbände wie die Vereinigung aktiver Senioren- und Selbsthilfe-Organisationen der Schweiz (Vasos) oder die Vereinigung zur Verteidigung der Rentnerinnen und Rentner (Avivo). Zudem hat der Schweizerische Seniorenrat die Ja-Parole gefasst.

Wer ist dagegen?

Eine von der CVP angeführte bürgerliche Nein-Allianz aus FDP, SVP, CVP, BDP, GLP und EVP sowie den bürgerlichen Jungparteien stellt sich gegen die Initiative.

Zum Nein-Lager zählen auch die Wirtschaftsverbände Economiesuisse, Arbeitgeberverband, Gewerbeverband oder Bauernverband. Zudem steht der Schweizerische Verband für Seniorenfragen auf der Nein-Seite.

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