Neulich war ich mit dem Velo am Zürcher Limmatufer unterwegs. Von überallher drängten die Leute ans Wasser, und ich musste ständig abbremsen. Auf einmal hörte ich, dass hinter mir jemand fluchte. Ich drehte mich um und sah einen schwarzen Mann auf seinem Velo. Auch er musste ständig abbremsen, auch er ärgerte sich. Ich aber fragte ihn harsch, was das soll. Und er entschuldigte sich sofort – er hatte nicht mal mich angeflucht.
Die Situation ging mir nach: Warum bin ich so schnell auf Konfrontation gegangen? Warum hat er sofort nachgegeben? Heute weiss ich: Bei einem Weissen hätte ich anders reagiert – versöhnlicher. Diese Einsicht schmerzt. Ich schäme mich. Wie schmerzhaft musste es aber erst für den Mann auf dem Velo sein?
Als der afroamerikanische Schriftsteller James Baldwin (1924–1987) in Leukerbad an einem Buch schrieb, erfuhr er offenen Rassismus. Er bewegte sich in der Schweiz der Fünfzigerjahre. Das N-Wort war so verbreitet wie der Rössli-Stumpen.
Heute äussert sich Rassismus gegen schwarze Menschen subtiler: Sie haben Mühe, einen Job zu finden. Die Männer werden von der Polizei gefilzt. Die Frauen werden angemacht. Und gerade bekommen viele zu hören, sie übertrieben, wenn sie sich gegen die Dubler-Schokoküsse wehren. Durch die Black-Lives-Matter-Bewegung haben wir jetzt die Wahl: Wir Weisse können abstreiten, dass es Rassismus gibt. Oder wir hören den schwarzen Menschen zu und akzeptieren, dass wir alle Rassismus in uns tragen. Wir wachsen so auf, wie ich seit meiner Recherche für das SonntagsBlick Magazin weiss. Heute gönne ich mir eine Pause vom Thema, das ist mein Privileg als weisse Person. Schwarze Menschen haben keine Wahl: Sie werden zwangsläufig ständig mit Rassismus konfrontiert.