Der Kampf für die Unternehmenssteuerreform III hat ein einzigartiges Bündnis zusammengeführt. Das komplette Spektrum rechts der Sozialdemokratie war darin vereint: Die bürgerlichen Parteien, die Wirtschaftsverbände, die Finanzdirektoren der Kantone, CEOs führender Unternehmen, Kommentatoren wichtiger Zeitungen legten ihr Gewicht für die bedeutendste wirtschaftspolitische Vorlage des Jahrzehnts in die Waagschale. Sie riefen Wähler, Beschäftigte, Partner, Kunden, Anhänger, Freunde und Publikum dazu auf, die Reform zu unterstützen. Weil diese höchst technisch ist und im Detail kaum zu durchschauen, wurde die Abstimmung darüber zu einer Frage des Vertrauens.
Und dann das: 59,1 Prozent Nein!
Das ist nicht nur eine Willensbekundung der Bevölkerung. Das ist ein Beben, ein Akt des Misstrauens, ein Aufstand gegen die Eliten! 59,1 Prozent der Abstimmenden haben gesagt: Wir glauben euch nicht, nicht euren Schätzungen, nicht euren Beteuerungen, schon gar nicht euren Drohungen! Die Stimmbürger sind nicht der SP gefolgt, wie Parteipräsident Christian Levrat meint. Sie haben dem gesamten bürgerlichen Establishment der Schweiz das Vertrauen aufgekündigt.
Selbst die bürgerliche NZZ erkennt in der Volksmeinung den «Ausdruck einer grösseren Malaise». Zu normalen Zeiten wäre der Urnengang reine Formsache geblieben. Doch die Zeiten sind nicht normal – nicht in den USA, nicht in Europa, nicht in der Schweiz. Prognosen gehen in die Irre, das Undenkbare wird Alltag – Präsident Trump, der Brexit, das Nein zur einst breit abgestützten Steuerreform.
Die Wähler wirken über alle Grenzen hinweg einig, sie scheinen zu sagen: Wir haben die Nase voll von denen, die an der Macht sind! Wir glauben ihnen nicht mehr, dass sie nur das Beste für uns im Sinn haben. Die Zweifel überwogen auch bei der Steuerreform: Sollte es entgegen aller Vorhersagen doch zu massiven Steuerausfällen kommen, sind die Unternehmen fein raus – bezahlen müssten wir, die Bürger. Die Schreckensszenarien der letzten Wochen haben dieses Misstrauen lediglich verstärkt.
Eine schwere Hypothek der Reform war auch ihr politisches Aushängeschild. Ausgerechnet Finanzminister Ueli Maurer, Bundesrat jener Partei, die stets gegen «die da oben» wettert, wirkte als deren wichtigster Lobbyist. Nun muss er im Eiltempo eine neue Vorlage ausarbeiten. Er hat nun den Auftrag gefasst, die Schweiz als Wirtschaftsstandort attraktiv zu halten, ohne die Schweizer damit zu belasten. Die Zeit drängt, weil EU und OECD die Bevorzugung internationaler Holdings nicht länger akzeptieren. Und weil nichts schädlicher ist für einen Wirtschaftsstandort als politische Unwägbarkeiten.
Eine neue Vorlage, die all dies berücksichtigt, wird sich gewiss stemmen lassen. Doch es bleibt nun etwas weit Wichtigeres zu tun: Das verlorene Vertrauen der Bevölkerung in die Politik muss wieder hergestellt werden.
Bisher weiss niemand, wie das geschehen soll.