Das meint BLICK zum Rücktritt
Chapeau, Frau Widmer-Schlumpf!

Nach acht Jahren als Bundesrätin tritt Eveline Widmer-Schlumpf ab. Co-Politikchef Matthias Halbeis zum Entscheid der Bündnerin.
Publiziert: 28.10.2015 um 16:49 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 15:55 Uhr

Sie wurde gegen den Willen ihrer eigenen Partei von anderen in den Bundesrat gewählt, so wie vor ihr Willy Ritschard oder Otto Stich. Anders als die beiden SP-ler konnte Eveline Widmer-Schlumpf den Konflikt mit ihrer Partei jedoch nicht mehr beilegen. Im Gegenteil: Die SVP schloss sie und die Bündner Kantonalsektion aus. Worauf die Rausgeworfenen die BDP gründeten. Und Widmer-Schlumpf nicht Bundesrätin der grössten Partei, sondern einer Minipartei wurde. Und genau darin lag der Grund für das Drama, das dann daraus folgte.

Auf der einen Seite erhielt die Schweiz mit der Bündnerin eine dossierfeste Chrampferin. Eine, die mit ihrem Intellekt für die Herausforderungen des Bundesrats-Amtes geradezu geschaffen war. Selbst Leute, die ihr nicht wohlgesonnen sind, geben zu, dass sie wohl eines der intelligentesten Regierungsmitglieder der jüngeren Geschichte ist. Sie packte dringende Reformen an und paukte diese auch durch. Und sie behielt in allen Krisen die Kontrolle. So auch bei der Rettung der UBS 2008, als sie für den erkrankten Finanzminister Merz einspringen musste und die Schweiz wohl vor grösstem Schaden bewahrte. Das Volk dankte es ihr: An der Urne verlor Widmer-Schlumpf keine Abstimmung. Sie blieb immer Siegerin. Darum war es auch richtig, dass Widmer-Schlumpf 2011 nochmals antrat und sich von den undemokratischen Rücktrittforderungen nicht abhalten liess.

Ihre Bilanz ist nicht makellos. Aber das ist sie in der Politik ja nie. Selbstverständlich lief Widmer-Schlumpf auch mit wichtigen Projekten auf. Ihre Anfangszeit im Justizdepartement war von Anlaufschwierigkeiten geprägt. Im Migrationsbereich ordnete sie überstürzt eine Neuorganisation an, die nicht durchdacht war und zu vielen Abgängen von Fachleuten führte. Im Finanzdepartment kamen die Querelen mit den USA und Deutschland um die Bankdaten zwar zu einem Ende. Ob es auch ein gutes war, ist schwierig zu beantworten. Es war ein harter Schlag für das Schweizer Bankgeheimnis, von dem sich dieses nie mehr erholte und mit dem automatischen Informationsaustausch (AIA) dann auch endgültig beerdigt wurde. Zuvor hatte sie noch vergeblich die Abgeltungssteuer als Verteidigungsoperation gegen den AIA ausgelöst, die den Banken teure Investitionen abverlangten, sich am Schluss aber nicht durchsetzen liess. Danach setzte Widmer-Schlumpf auf die Weissgeldstrategie und zwang den Bankenplatz, sich neu auszurichten.

Widmer-Schlumpf ist eine fähige Bundesrätin, die – und das ist das Drama – nur eine Minderheitspartei im Rücken hatte. Und darum mehr als anfällig war auf Angriffe, die rein gar nichts mit ihrer Amtsführung zu tun hatten. Wenn die kühle Rechnerin nun die Konsequenzen aus dem Wahlsieg ihrer ehemaligen Partei und der Wahl von Magdalena Martullo-Blocher in ihrer Heimat Graubünden zieht, dann ist der Schritt nicht nur aus ihrer Sicht folgerichtig.

Eveline Widmer-Schlumpf hat die letzten acht Jahre hart für das Wohl des Landes gearbeitet und wird das bis zum Ende ihrer Amtszeit auch weiterhin tun. Ihre Amtszeit wird als erfolgreiche in die Annalen eingehen. In einer Demokratie ist die Ankündigung des Rücktritts immer auch Gelegenheit, vor einem solchen Engagement den Hut zu ziehen. Dazu sollten heute auch ihre ärgsten Gegner in der Lage sein. 

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