Ohne Not, ohne einleuchtenden Anlass und ohne Moral will der Bundesrat die Bestimmungen über Schweizer Waffenexporte lockern. Aus einem mickrigen Grund: Er kapituliert vor der lobbyistischen Durchschlagskraft der Rüstungsindustrie. Mit seiner Willfährigkeit beschämt er das Land, in dessen Dienst er steht.
Unverständlich daran ist: Der rein ökonomisch getriebene Entscheid ist ökonomisch nicht einmal von grosser Bedeutung. Jedenfalls ist diese weitaus geringer als der immaterielle Kollateralschaden, der entstehen könnte.
Enthemmung wird beschönigt
Der wirtschaftliche Stellenwert der Schweizer Waffenschmieden und deren Rolle als Arbeitgeber ist überschaubar. Exporte im Wert von knapp 447 Millionen Franken im letzten Jahr (Schweizer Schokolade im selben Zeitraum: 936 Millionen Franken), 15'000 Angestellte. Dass es die Rüstungsfirmen gibt und sie für unsere Armee produzieren, ist dabei unbestritten. Sogar dass sie in heikle Länder wie etwa Pakistan oder die Arabischen Emirate liefern, fand eine Volksmehrheit vor knapp zehn Jahren in Ordnung. Damals wurde die GSoA-Initiative für ein Verbot von Kriegsmaterialexporten mit fast 70 Prozent Nein-Stimmen versenkt.
Und jetzt die Enthemmung: Schweizer Waffen auch für Bürgerkriegsländer. In den Worten des Bundesrats klingt das natürlich leicht bekömmlich. Da ist von «internem bewaffnetem Konflikt» die Rede und der Bedingung, dass «kein Grund zur Annahme» bestehen dürfe, dass unser Kriegsmaterial in diesem «internen Konflikt» eingesetzt werde. Wer solche Beschönigung glaubt, wird selig. Oder erschossen.
Rotes Kreuz, weisses Kreuz
In Bürgerkriegsländern wurde noch nie ein Kontrolleur der Rüstungsindustrie gesichtet, der nachgeschaut hätte, ob tatsächlich keine Schweizer Waffen eingesetzt werden. Wer sich hingegen in Krisengebiete wagt: Vertreter des IKRK, des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, 1863 in Genf gegründet, Hüter und Förderer des Humanitären Völkerrechts, Beschützer der Opfer bewaffneter Konflikte.
Das rote Kreuz, das mutige Menschen in die Welt hinaus tragen, ist aufs Engste verbunden mit dem weissen Kreuz der Schweizer Fahne. Die humanitäre Tradition gehört zu unserem Selbstverständnis. Ähnlich ists mit der Neutralität, einem weiteren Abschnitt auf der eidgenössischen DNA. Sie hindert uns in ihrem opportunistischen Wesen zwar nicht an zwielichtigen Geschäften, auch nicht an Waffengeschäften mit den islamistischen Terror-Exporteuren aus Saudi-Arabien. Aber seit langen Zeiten hat sie uns vor Kriegen bewahrt und unserer Diplomatie weltweites Ansehen verliehen. Das Humanitäre und Neutrale ist verinnerlicht als im besten Sinn typisch schweizerisch.
Wir haben eine Verpflichtung
Die Absicht des Bundesrats, die Regeln für Kriegsmaterialexporte zu lockern, ist unschweizerisch. Das scheinbar kleine, pragmatische Routinegeschäft ist im Kern eine Beleidigung der Vernunft und eine moralische Schande.
Die Vernunft gebietet, dass man in Zeiten von Flüchtlingsströmen mithilft, Krieg, Elend und Unterdrückung zu beenden – Waffen bewirken das Gegenteil. Die Moral verlangt, dass man als wohlhabender Hort der Unversehrten seine besondere Verpflichtung wahrnimmt.
Profitable Kleinkrämer-Nation?
Die Ständeratskommission – allen voran die vier Mitglieder, die sich per Parteidefinition zum Christlichen bekennen und den Ausschlag geben können – fällt heute einen weitreichenden Entscheid über das Selbstverständnis der Schweiz. Sind wir die profitable Kleinkrämer-Nation, die einer jammernden Branche für ein paar Arbeitsplätze und etwas Geld ihre Werte opfert? Oder sind wir das Land, das uns mit Stolz erfüllt, weil es im Innern grösser ist als in seiner bescheidenen geografischen Ausdehnung?
Vernunft und Moral sollten die Volksvertreter und den Bundesrat zum Schluss kommen lassen: Keine Ausweitung der Möglichkeiten für Waffenexporte. Mit dieser Haltung gefährden wir nicht unseren Wohlstand. Wir bewahren unseren Anstand.