Das meint BLICK
Trump schwingt die nukleare Keule

Die USA wollen aus dem Abrüstungsvertrag mit Russland austreten. In Europa wächst nun die Sorge vor einem neuen Wettrüsten.
Publiziert: 27.10.2018 um 22:39 Uhr
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Aktualisiert: 28.10.2018 um 00:05 Uhr
Der Welt droht ein neues Wettrüsten: Trump schwingt die nukleare Keule, meint BLICK-Auslandredaktorin Fabienne Kinzelmann
Fabienne Kinzelmann

John Bolton ist offiziell der Nationale Sicherheitsberater der USA. Vielleicht muss seine Amtsbezeichnung überdacht werden. «Unsicherheitsberater» sollte der Mann genannt werden, der im Auftrag von Donald Trump in der vergangenen Woche nach Moskau reiste, um zu zerstören, was die USA und die ­Sowejtunion vor 30 Jahren mühsam verhandelt hatten.

Die USA wollen aus dem Abrüstungsvertrag mit Russland austreten, der nukleare Mittelstreckenraketen verbietet. Bolton reiste nicht in die russische Hauptstadt, um das zu besprechen – die Entscheidung war längst getroffen. Seither wächst in Europa die Sorge vor einem neuen Wettrüsten.

Diese Sorge ist berechtigt: Seit der Krim-Krise hat sich der Ton zwischen den beiden Ländern wieder verschärft. Amerikanische Quellen lassen darauf schliessen, dass Russland bereits heimlich aufgerüstet hat und über Kernwaffensysteme verfügt, die entgegen dem Abkommen weiter als 500 Kilometer reichen.

In seiner Rede zur Lage der Na­tion 2018 prahlte Präsident Wladimir Putin zudem mit Waffen, welche die amerikanische Raketenabwehr überwinden könnten. Die Raketenabwehr ist Russland ein besonderer Dorn im Auge – dabei richtet sich diese vor allem gegen mögliche ­Aggressionen aus Nordkorea.

Die aktuelle Entwicklung beun­ruhigt auch die politische Elite in ­Peking. Weil die chinesische Führung fürchtet, die USA könnten einen ­nuklearen Zweitschlag aus dem Reich der Mitte abwehren, rüstet man auch hier auf. Wie bei einem ­Dominospiel weitet sich diese Argumentations­kette auf andere Staaten aus.

Zusätzlich sinkt die Hemmschwelle für einen atomaren Erstschlag. Trump will laut dem Regierungsdokument «Nuclear Posture Review» Atomwaffen auch als Reaktion auf nicht nukleare Angriffe benutzen. Das könnte Cyberattacken oder Angriffe auf Infrastrukturen wie die Stromversorgung einschliessen.

Besonders problematisch ist, dass hinter den Plänen der Trump-Administration keine Vision steht. Kein Wille, politische Führung zu übernehmen – und kein Gefühl für die Verantwortung, die Nuklearwaffen mit sich bringen. Das Zweitschlag-Argument funktioniert nicht, wenn es im Zweifelsfall wichtiger ist, als Erster auf den Knopf zu drücken. Ohne Rüstungskontrolle entfaltet sich dann eine Dynamik, die andere Staaten mitreissen kann.

Das wird künftigen Regierungen weit mehr abverlangen, als jetzt zu versuchen, konsequent weitere Atommächte in bestehende Abkommen einzubeziehen und ihre Sicherheitsbedenken ernst zu nehmen. Denn die Konsequenzen aus einem Abrüstungs-Ausstieg, wie ihn Bolton gerade eingeleitet hat, sind unberechenbar.

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