Lassen Sie Europa entstehen!» So schloss Winston Churchill 1946 seine berühmte Rede an der Zürcher Universität.
Vergangene Woche rang sich EU-Repräsentant Jean-Claude Juncker zu einer in ihrer Banalität geradezu revolutionären Erkenntnis durch: «Wir haben es in Teilen», meinte er in seiner Rede zur Lage, «mit einer existenziellen Krise der EU zu tun.» Zwischen beiden Aussagen liegen exakt siebzig Jahre. Sie zeigen Anspruch und Wirklichkeit einer einst grossen europäischen Idee.
Kommenden Montag, zum Gedenktag der grossen Rede, werden die EU-Granden sich wohl dieses Satzes bemächtigen, den Churchill in Zürich gesagt hat: «Wir müssen eine Art Vereinigte Staaten von Europa errichten!»
Er tat dies angesichts eines in Trümmern liegenden Kontinents. EU-Spitzen sehen in solchen Worten eine Handlungsanleitung für heute: stärkere Integration, mehr Harmonisierung, Vergemeinschaftung der Schulden.
Juncker und seine Mitstreiter haben Churchill nicht wirklich verstanden. Einen Euro, der den Zentralisierungsdruck der EU erst befeuert, hätte es mit Churchill nicht gegeben. Die nationale Souveränität Grossbritanniens war ihm heilig, er sah sein Vaterland auch nicht als Teil eines solchen Gebildes.
Der Schlüssel zum Verständnis seiner Europavision ist dieser Passus seiner Rede: «Ich sage Ihnen jetzt etwas, das Sie erstaunen wird. Der erste Schritt zu einer Neuschöpfung der europäischen Völkerfamilie muss eine Partnerschaft zwischen Frankreich und Deutschland sein.»
Das gemeinsame Währungskorsett der beiden grössten EU-Volkswirtschaften zeigt die ökonomischen Grenzen dieser Partnerschaft auf. Frankreich ist in weiten Teilen eine Staatswirtschaft, wettbewerbs- und reformschwach und schuldenmindernder Inflation nicht grundsätzlich abgeneigt.
Deutschland ist das Gegenteil von alledem. Und Churchills Land wählte den Brexit.