Das Label IP-Suisse kämpft mit Problem-Ställen
Sieht so «tierfreundlich» aus?

Das Label IP-Suisse steht für eine umwelt- und tierfreundliche Landwirtschaft. Doch in manch einem Stall, der sich mit dem Marienkäfer-Logo schmückt, sieht die Realität ganz anders aus.
Publiziert: 03.11.2019 um 16:42 Uhr
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Aktualisiert: 23.10.2020 um 11:39 Uhr
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Auf der Alp Manegorio bei Airolo TI versauen Alpschweine seit Jahren die Natur.
Foto: zVg
Lea Hartmann

Stinkende Steinwüste statt saftige Wiese: Die Schweine auf der Alp Manegorio versauen die Umwelt. Am Samstag berichtete BLICK über den Betrieb im Tessiner Bedrettotal, der so gar nichts mit den Bildern zu tun hat, mit denen für die Alpschweine geworben wird.

Auch bei der Tierhaltung verstösst die Alp Manegorio gegen die Richtlinien der Vereinigung IP-Suisse, mit deren Label sie sich schmückt. Das Label mit dem Marienkäfer steht für Betriebe, die sich zu einer integrierten, also umweltschonenden und tiergerechten Landwirtschaft verpflichten. In der Migros werden die IP-Suisse-Produkte unter dem Label TerraSuisse verkauft.

Rinder liegen auf Matten ohne Stroh

Die Alp Manegorio ist nicht der einzige Problembetrieb bei IP-Suisse. BLICK hat Kenntnis von weiteren Fällen, bei denen die Tierhaltung gegen die Label-Richtlinien verstösst oder verstossen hat.

Aufnahmen aus einer IP-Suisse-zertifizierten Rindermast im Waadtland zeigen, wie die Tiere auf nackten Matten liegen, die obligatorische Einstreu fehlt. Die Aufnahmen wurden verdeckt gemacht und der Tierrechtsorganisation Tier im Fokus (TIF) zugespielt.

Die Matten seien für die Tiere zum Liegen artgerechter und angenehmer als Stroh, sagt Niklaus Hofer, Leiter Tierwohlprogramme und Biodiversität. Doch auch auf diese muss die Bäuerin oder der Bauer Strohhäcksel oder Sägemehl streuen, damit die Liegefläche trocken bleibt. Das schreibt das Tierwohlprogramm «Besonders tierfreundlicher Stall» (BTS) des Bundes vor, das bei IP Suisse unter anderem massgebend ist.

Der Waadtländer Tierhalter wurde verwarnt. Doch aktuelle Aufnahmen zeigen: Verbessert hat sich die Situation seither nicht. Eine weitere Kontrolle sei angeordnet, teilt IP-Suisse mit.

Bauer hat Tiere misshandelt

Bereits die Konsequenzen gezogen hat IP-Suisse im Falle einer Schweinemast im Kanton St. Gallen. Dort stiess man auf ein Bild des Elends: Tiere lagen auf dem nackten Boden, der Dreck an ihrem Rücken bereits verkrustet. Der Betrieb wurde im Juni aus dem IP-Suisse-Schweine-Programm ausgeschlossen.

Vor Kurzem berichtete zudem die SRF-«Rundschau» über einen Landwirt aus Beinwil SO, dessen Mitarbeiter die Schweine mit den Füssen trat – ein klarer Fall von Tiermisshandlung. BLICK weiss: Auch bei diesem Stall handelt es sich um einen IP-Suisse-Betrieb. Nach Ausstrahlung des Beitrags wurde er per sofort für das Label gesperrt. Zudem ist eine Strafanzeige des Kantons hängig.

«Das ist Konsumententäuschung»

Verdreckte Schweine, fehlendes Stroh: «Hier von ‹besonders tierfreundlich› zu sprechen, ist reine Konsumententäuschung», kritisiert TIF-Präsident Tobias Sennhauser (35). Auch IP-Suisse-Sprecher Hofer räumt ein, dass das, was auf den TIF-Aufnahmen zu sehen ist, nicht als «ganz korrekt» bezeichnet werden kann. Er gibt aber zu bedenken, dass die Fotos jeweils nur Teilbereiche der Ställe zeigten und es sich um Momentaufnahmen handle. Zudem verweist er auf das bestehende Kontrollsystem. «Es gibt jährliche Kontrollen von externen akkreditierten Inspektionsstellen und wir setzen bei Abweichungen laufend Sanktionen um.» Zudem gehe man allen Hinweisen aus der Bevölkerung nach und nehme diese sehr ernst.

Die Momentaufnahmen summieren sich allerdings. Ausserdem zeigt der Fall aus der Westschweiz, dass es mit einer blossen Verwarnung nicht immer getan ist.

Nur jede dritte Kontrolle unangemeldet

IP-Suisse verweist zudem auf die Statistik. Schweizweit sind über 9000 Betriebe beim Label unter Vertrag. Im vergangenen Jahr wurden lediglich 166 Verwarnungen ausgesprochen und zehn Betriebe aus dem Programm ausgeschlossen.

Von den Kontrollen, die mindestens einmal jährlich stattfinden, erfolgt aber nur mindestens jede dritte unangemeldet. Und wenn man weiss, dass ein Kontrolleur kommt, ist das sonst fehlende Stroh schnell eingestreut. Das ist auch Hofer bewusst. «Wir werden 2020 den Mindestanteil unangemeldeter Kontrollen massiv erhöhen», kündigt er an. Man sei laufend daran, das Kontrollsystem zu überdenken und anzupassen.

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