Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (66) hat genug. Spätestens zu den Gesamterneuerungswahlen 2019 will er nicht mehr für die Landesregierung kandidieren. Bleibt er wirklich so lange, wird er etwas über neun Jahre im Bundesrat gewirkt haben. Doch welches Vermächtnis wird er hinterlassen, was hat er seit seinem Amtsantritt im November 2010 erreicht?
Schneider-Ammann ging um die Welt
Berühmheit. Weltweit. Denn so bieder und behäbig Schneider-Ammann auf den ersten Blick scheint, so oft sorgte er auch für Lacher. Nicht immer freiwillig, wie das prominenteste Beispiel zeigt: «Rire c'est bon pur la santé» – seine Rede zum Tag der Kranken 2016 ging viral – und wurde sogar vertont.
Schmeichelhaft für den Bundespräsidenten war es nicht. Doch er nahm es mit Humor. Und wurde reich belohnt mit weltweiter Bekanntheit. Bei seinem Besuch bei Ex-US-Präsident Barack Obama (56) begrüsste dieser ihn mit dem Worten «I know you!». Worauf Schneider-Ammann, der Emmentaler, trocken mit einem verschmitzem Lächeln sagte: «I know you, too.»
Das politische Glanzstück heisst China
Doch Schneider-Ammann hat auch politisch einiges vorzuweisen. Der grösste Erfolg ist sicherlich das Freihandelsabkommen mit China, das seit Juli 2014 in Kraft ist. Aufgegleist hatte das zwar noch seine Vorgängerin im Wirtschaftsdepartement, Doris Leuthard (55). Schneider-Ammann war es aber, der die nicht einfachen Verhandlungen mit den Chinesen zum Abschluss brachte.
Und viele Vorbilder gab es nicht. Nach Island war die Schweiz das erste europäische Land, das überhaupt ein Freihandelsabkommen mit dem Reich der Mitte abschliessen konnte. Und das hat sich ausgezahlt – 2017 exportierte die Schweiz Waren und Dienstleistungen im Rahmen von 24 Milliarden Franken.
Immer Ärger mit den Bauern
Prägend für Schneider-Ammanns Amtszeit ist auch die Landwirtschaftspolitik. Er brachte mit der Agrarpolitik 2014–2017 eine Reform durch, die die Landwirte zu ersten kleinen Anpassungen an den Markt zwang und gleichzeitig die Umweltverträglichkeit der Landwirtschaft verbesserte.
Nach anfänglichem Zetern – und ein paar parlamentarischen Anpassungen, die sie selbst durchgedrückt hatten – sind auch die Bauern zufrieden mit der Reform. Doch Schneider-Ammann ruhte sich darauf nicht aus. Letztes Jahr stiess er eine weitere Reform der Agrarpolitik an – und die Bauern vor den Kopf. In den letzten Monaten herrschte zwischen ihm und Bauernpräsident Markus Ritter (51) regelrecht Funkstille.
Zudem übernahm Schneider-Ammann während seiner Amtszeit die Bildung und Berufsbildung. Und rang dem Bundesrat in dieser Zeit immer wieder Millionen für die Digitalisierung ab. Zudem weibelte er für das duale Berufsbildungssystem der Schweiz. Zum Beispiel bei US-Präsidententochter Ivanka Trump (36).
Durchzogene Bilanz als Arbeitsminister
Durchzogener ist die Bilanz als Arbeitsminister. 2011 lancierte er die Fachkräfte-Initiative. Ziel war, vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung sicherzustellen, dass die Schweiz auch künftig noch genügend qualifizierte Arbeistkräfte hat. Mit dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative hat die Bedeutung von Schneider-Ammanns Programm noch zugenommen.
Doch konkrete Massnahmen – wirkliche Verbesserungen für die Arbeitsmarktchancen von Älteren oder die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – sucht man vergebens. Schneider-Ammann, als Chef des Maschinenherstellers Ammann Group in Langenthal ein echter Patron, sieht diese Fragen als Aufgaben der Sozialpartner, nicht der Politik.
In einer anderen Disziplin ist Schneider-Ammann aber spitze: dem Fliegen. Seit Jahren führt er die Rangliste der Bundesräte mit den meisten Flugstunden an.