Bald geht die Lotsin von Bord. FDP-Fraktionspräsidentin Gabi Huber stellt sich im Herbst nicht mehr zur Wiederwahl. Auf dem Höhepunkt ihres politischen Schaffens tritt die 59-jährige Urner Nationalrätin zurück.
Das Vakuum, das sie hinterlässt, ist gross. Denn ein Rating, das Politologe Michael Hermann (43) für SonntagsBlick exklusiv erhoben hat, zeigt: Gabi Huber ist die einflussreichste Parlamentarierin in Bundesbern. Keine Kollegin und kein Kollege im National- oder Ständerat hat mehr Gewicht als die zurückhaltende Urschweizerin. «Ich nehme die Rangliste erfreut zur Kenntnis, führe aber deshalb keinen Freudentanz auf», kommentiert Huber gewohnt trocken.
Hermann liess die Parlamentarier in einem Fragebogen selbst erklären, wer von ihren Kollegen in Bern etwas zu sagen hat – und wer nicht. Entscheidend dabei sind der Einfluss in der Fraktion und in den Kommissionen sowie die eingereichten Vorstösse der Ratsmitglieder (siehe Box).
Gabi Huber geniesst demnach bei ihren Kollegen einen hervorragenden Ruf. Die Verlässlichkeit, die ihr von allen Seiten attestiert wird, habe sie sich in der Kommissionsarbeit erworben, sagt sie. Und sie stehe zu ihrem Wort. «Ein Ja ist ein Ja und ein Nein ist ein Nein.» Das sei in der Politik genau so wie im Leben. Dass sie ihrer letzten Session in Bern entgegenblickt, stimmt sie nicht traurig. «Ich habe mich sehr bewusst für diesen Schritt entschieden.»
Ihre Partei aber wird sie schmerzlich vermissen. Huber sei intellektuell brillant. «Wer sich mit ihr anlegt, muss ganz gute Karten haben», sagt FDP-Parteipräsident Philipp Müller (seit gestern 63). «Sie strahlt eine grosse Autorität aus.»
Huber zähmte FDP
Tatsächlich ist es Huber gelungen, die chronisch aufmüpfigen und politisch breitgefächerten Liberalen zu zähmen. «Ihre grosse Leistung ist, dass sie unsere Fraktion auf Linie gebracht hat», so Müller. Heute trete die FDP im Parlament geeint auf. Er, Müller, sei der Aussenminister der FDP.
Im Bundeshaus habe aber Huber das Sagen. «Da folgt auch der Müller», sagt der Parteipräsident.
Er selbst schafft es in Hermanns Rangliste auf Rang 12. Insbesondere bei der Kommissionsarbeit schneidet er mässig ab – und erklärt dies mit seiner Rolle als Parteipräsident: Heute könne er in den Kommissionen nicht mehr die gleiche Knochenarbeit leisten wie früher.
Der SVP-Dominator
Die Silbermedaille in Hermanns Ranking geht an SVP-Fraktionspräsident Adrian Amstutz (61). Er stimmt in die Lobeshymne auf Huber ein. Mit ihr könne er sehr gut zusammenarbeiten, sagt der Berner Oberländer. «Anders als bei ihrem Parteipräsidenten kann man sich auf Abmachungen mit Gabi Huber verlassen», sagt Amstutz. Seinen Einfluss im Bundeshaus verdanke er seiner Rolle als Fraktionspräsident. «Unter den SVP-Parlamentariern bin ich um eine gute Diskussionskultur bemüht», sagt er. «Ich kann auch mal auf den Tisch hauen, aber es ist wie bei einem Gewitter: Kurz hinterher scheint wieder die Sonne.»
In den Fraktionen herrschen laut Politologe Hermann «sehr unterschiedliche Hackordnungen». Während bei der CVP mit Christophe Darbellay (44, VS), Pirmin Bischof (56, SO), Peter Bieri (63, ZG), Filippo Lombardi (59, TI) und Markus Ritter (48, SG) sechs Köche am Herd stünden, «herrscht bei der SVP Dominator Adrian Amstutz». Als Partei kann die SVP im Parlament aber wenig bewegen. Beim Einfluss in den Kommissionen schneiden die SVPler schlecht ab. Folge: Auf den ersten 30 Rängen der Einfluss-Rangliste sind neben Amstutz und Toni Brunner (41, SG) nur die Ständeräte Alex Kuprecht (57, SZ) und Roland Eberle (61, TG) vertreten. «Die SVP wird in den Kommissionen viel übergangen», meint Amstutz dazu. Jüngstes Beispiel sei die laufende Asylgesetzrevision.
SP-Frauenpower
Bei der SP sticht das schlechte Abschneiden von SP-Fraktionspräsident Andy Tschümperlin (53, SZ) hervor – er landet auf dem 99. Platz. Ganz vorne im Rating fungieren Parteichef Christian Levrat (45, FR) und Nationalrat
Roger Nordmann (42, VD). Die SP punktet aber auch mit Frauenpower: So gehören Jacqueline Fehr (52, ZH), Susanne Leutenegger Oberholzer (67, BL) und Evi Allemann (37, BE) zu den sechs einflussreichsten Sozialdemokraten.
Erfolgreiche CVP
Die CVP ist als Mittepartei im Parlament wohl am einflussreichsten. Sie ist mit 31 Parlamentarierinnen und Parlamentariern in den ersten 100 Rängen im Vergleich zum Wähleranteil übervertreten.