Ein entscheidender Faktor in Bundesbern sind die Mandate und Pöstchen, welche die Politiker neben ihrer Parlamentstätigkeit ausüben. Und die ihre Entscheide und Vorstösse beeinflussen. Viele Gesetze tragen nicht nur die Handschrift von Parlamentariern. In Kommissionssitzungen kommt es oft vor, dass Politiker etwa von Wirtschaftsverbänden formulierte Gesetzesartikel vorlegen. Der Politologe Michael Hermann (43) hat exklusiv für BLICK die Interessenverbindungen der Mitglieder beider Räte ausgewertet. Nun können die Wähler erkennen, wer tatsächlich frei von fremden Interessen politisiert – und welche Politiker wie stark anderweitig verbandelt sind.
An erster Stelle der verfilzten Parlamentarier steht gemäss Hermanns Auswertung CVP-Ständerat Jean-René Fournier (57). Der Unterwalliser ist unter anderem Senior Advisor der Grossbank Credit Suisse und sitzt im Verwaltungsrat des Versicherers Helvetia.
«Ich bin komplett unabhängig», beteuert Fournier. Es sei ihm egal, was Journalisten darüber dächten. Denn «bei uns im Wallis waren meine Mandate noch nie ein Thema». Fournier gibt auch freimütig zu Protokoll, wie viel ihm die Posten einbringen: «Die Helvetia zahlt mir 120 000, die CS 25 000 und der Gewerbeverband etwa 3000 Franken pro Jahr.»
BDP-Nationalrat Lorenz Hess (54) liegt an dritter Stelle der Abhängigkeitsliste. Er nimmts gelassen: «Da kann ich nur lachen.» Er habe alle seine Mandate und Verpflichtungen offengelegt. Noch nie sei auf ihn Druck ausgeübt worden, sagt der Visana-Verwaltungsrat. «Ich übernehme auch nur Mandate, die auf meiner politischen Linie liegen. Wäre ich ein glühender Verfechter der Einheitskasse, sässe ich wohl kaum bei einer Krankenkasse im Verwaltungsrat», so Hess.
Eine ganz andere Position verficht der parteilose Schaffhauser Ständerat Thomas Minder (54). Minder, der mit seiner Abzocker-Initiative die Wirtschaftselite das Fürchten gelehrt hat, ist der unabhängigste aller 246 National- und Ständeräte. Die Nebeneinkünfte seiner Kollegen sind ihm ein Graus. «Es ist klar, ohne diese Mandate hätten wir in Bern eine ganz andere Politik.»
Ob Gesundheitspolitik, Landwirtschaft, Umwelt oder Tourismus: Der Einfluss des Geldes sei offensichtlich, sagt Minder. «Die Parlamentarier mit Mandaten geraten alle früher oder später in einen Clinch. Und dann entscheidet das Geld, auf welchen Knopf sie drücken», ist er überzeugt.
Für viele Politiker seien just diese Einkünfte ja auch ein Grund, überhaupt nach Bern zu gehen. Derzeit tüftelt Minder mit Gleichgesinnten an einer neuen Volksinitiative. Sie wollen den Lobbyismus ins Visier nehmen. Aber auch die Mandate der Ratsmitglieder fallen darunter. «Ich will, dass zumindest die daraus resultierenden Einkünfte offengelegt werden», sagt Minder.
Die Finanzierung des neuen Volksbegehrens ist bereits gesichert. Den Text wollen die Initianten in der kommenden Session definitiv formulieren.