Auf dem Schweizer Wohnungsmarkt geht es drunter und drüber: Während auf dem Land händeringend Bewohner für leerstehende Neubausiedlungen gesucht werden, ist es in der Stadt umgekehrt. BLICK deckte auf, dass ein Zürcher Vermieter von Interessenten eine Kaution in der Höhe von neun Monatsmieten verlangte – nur, um im Rennen um die begehrte Wohnung zu bleiben.
In der Schweiz ein Novum
Ein Vorschuss, den sich nur wenige Mieter leisten können. Ebenfalls nur etwas für Gutbetuchte ist die Überbauung «Le Port de Navire» in Uttwil TG am Bodensee. Hier sollen bis nächsten Sommer 17 Luxuswohnungen entstehen, mit Concierge, Chauffeur, Privatpool – und einem 24-Stunden-Überwachungsdienst mit Zaun, Kameras und Sicherheitspersonal, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete.
Das Projekt ist eine klassische «gated community». Diese geschlossenen Wohnkomplexe mit Zugangsbeschränkungen sind vor allem aus Nord- und Südamerika bekannt. Doch auch in Europa finden sich immer mehr.
Nichts Neues unter der Sonne
In der Schweiz hingegen wäre ein solches Reichen-Ghetto ein Novum. Eines, das auch die Politik beschäftigen dürfte. Denn schon vor neun Jahren hatte die für Raumplanung zuständige Bundesrätin Doris Leuthard (54) Bedenken angemeldet. «Gated communities» würden den raumplanerischen Grundsätzen widersprechen. Danach müssten öffentliche Räume allgemein zugänglich sein.
«Je mehr man geschlossene Wohnsiedlungen realisiert, umso mehr gefährdet man tatsächlich die Kohäsion des Landes und auch gewisse gute Entwicklungen, begünstigt Zersiedelungen und auch einen Mehrverkehr», so Leuthard damals im Nationalrat. Da es vor neun Jahren keine solchen Wohnformen gab, sah sie aber keinen Handlungsbedarf. Uttwil könnte das ändern. Denn ganz generell unterstützt der Bundesrat das Anliegen, «gated communities» zu verhindern.
«Das gibt es an der Goldküste auch»
Den Präsidenten des Mieterinnen- und Mieterverbandes der Deutschschweiz, Balthasar Glättli (46), lässt das Reichen-Ghetto am Bodensee jedoch kalt: «Ach Gott, auch an der Zürcher Goldküste gibt es Villen mit Mauern drumherum und Flutlichtanlagen mit Bewegungsmeldern», so der grüne Nationalrat. Neu sei nur, dass es nun offenbar nicht um einzelne Häuser gehe, sondern um eine Wohnanlage. Toll sei das nicht. «Aber nicht das Hauptproblem.»
Dieses ortet Glättli nicht darin, «dass sich ein paar Super-Reiche vom Rest der Welt abschotten wollen. Das reale Problem ist, dass der Mittelstand immer noch keine bezahlbaren Wohnungen findet.»