Darum will der Zuger Thomas Aeschi Bundesrat werden
«Unsere Schweiz ist in Gefahr!»

Heute entscheidet die SVP ab 14.15 Uhr, welche Kandidaten sie offiziell ins Rennen um den Bundesrat schickt. Der 36-jährige Zuger Thomas Aeschi gehört zu den ganz heissen Anwärtern – trotz seines fast jugendlichen Alters.
Publiziert: 20.11.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 17:25 Uhr
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«Die Schweiz hat seit Jahren überall verloren»: Thomas Aeschi will das Land wieder auf die Siegerstrasse führen.
Foto: Philippe Rossier
Von René Lüchinger

Thomas Aeschi ist ein Paradoxon: Bei ihm vermählt sich Fernweh mit Heimatschmerz. Fernweh: Als Teenager ging der Zuger Gymnasiast als Austauschschüler nach Chicago (USA). Als Austauschstudent zog es ihn von der HSG nach Malaysia und Israel. Später arbeitete er als Analyst bei den Investmentbankern der Credit Suisse First Boston im australischen Melbourne. Bis heute, sagt Aeschi, habe er 72 Länder bereist. Bei einem 36-Jährigen ergibt dies einen rekordverdächtigen Schnitt von zwei pro Lebensring.

Heimatschmerz: Mit 13 wähnte Aeschi seine Heimat in grosser Gefahr und wurde durch ein Schlüsselerlebnis politisiert. Es war der 6. Dezember 1992, der Schüler wohnte im einstigen Bauerndorf Allenwinden oberhalb des Zugersees. Er verfolgte, wie das Schweizer Volk den EWR-Beitritt ablehnte, und spürte «dass es hier um etwas sehr Wichtiges, um unsere Unabhängigkeit ging», wie er Jahre später bekannte.

Jetzt will der Rastlose, der Vielgereiste die Weite der Welt mit der Enge des Bundesratszimmers eintauschen. Eine Bürde, die in so jungen Jahren nur einer schultern dürfte, der sein Heimatland in Gefahr wähnt. Schafft es Thomas Aeschi heute auf das Dreierticket der SVP-Fraktion und würde er im Dezember von der Vereinigten Bundesversammlung gewählt, wäre er der viertjüngste Bundesrat in der Geschichte der Eidgenossenschaft.

Herr Aeschi, ist die Schweiz in Gefahr? Die Antwort kommt schnell und ist denkbar kurz: «Ja!» Bei der Frage nach dem Warum sprudeln die Sätze aus seinem Mund: «Wir haben seit Jahren überall verloren. Die Bilateralen I waren ein grosser Schritt Richtung EU, mit Schengen-Dublin und der Osterweiterung der Personenfreizügigkeit haben wir verloren.»

Die Worte fliessen nüchtern. Die Emotionen, die Aeschi bei diesem Thema antreiben, zeigen sich höchstens in der Geschwindigkeit seiner Rhetorik, während seine blauen Augen das Gegenüber fixieren, die Lippen noch eine Spur schmaler werden. Hier brodelt unter der Oberfläche heiliger Furor über das, was die Schweiz zu verlieren hat. Die Preisgabe von Nationalstaatlichkeit und Volkssouveränität, wie sie seit 1848 Fundament sind für unser Land.

Das rechtfertigt natürlich höchsten Einsatz. Aber warum gerade er, nach gerade einmal einer Legislatur im Parlament? Ist das nicht etwas anmassend? Die Frage bringt ihn keineswegs aus der Fassung. Wenn einer der SVP-Granden, ein Amstutz oder Brunner, angetreten wäre, gäbe es den Kandidaten Aeschi nicht. So aber war er wohl nicht wirklich überrascht, als ihm Parteikollege Thomas Matter halb fragend attestierte, er, Aeschi, wäre doch ein valabler Kandidat. Entwaffnend ehrlich meint dieser: «Daran hatte ich grundsätzlich auch schon gedacht.» Was politische Gegner als fast jugendliches Strebertum taxieren könnten, ist für Thomas Aeschi Ausfluss von energetischem Tatendrang. Seit er im Parlament sitzt, treiben ihn die ewig gleichen Fragen um. Warum funktionieren die Dinge nicht? Was läuft falsch in der Schweiz? Gäbe es andere, kreativere Lösungen?

Solches liegt Thomas Aeschi wohl im Blut, seit er 2008 sein Studium an der Harvard University mit einem Master of Public Administration (MPA) abgeschlossen hatte – einem Abschluss im Management in öffentlichen Verwaltungen. Aus diesem Wissen speist sich wohl sein Drang, es stets genau wissen zu wollen. Und daran erinnern auch jene rekordhohen 55 Vorstösse, die Aeschi als Parlamentsneuling in einer einzigen Legislatur eingereicht hat.

Was für manch einen an Profilierungssucht grenzt, ist für Aeschi Berufsalltag. Als Berater für die Strategieberater Booz & Company, später bei PricewaterhouseCoopers (PwC) ist genau das Alltag: Unternehmensführer engagieren Berater, die stellen Fragen, analysieren, skizzieren Lösungen und müssen gegenüber dem Auftraggeber bestehen.

Mit diesem Denken geht einer wie Aeschi auch an das Bundesbudget: Wofür geben wir das Geld aus? Brauchen wir diese Ausgabe? Wie können wir sparen? In der Privatwirtschaft nennt sich solches Führung. Bei den Linken bedeutet dies neoliberales Tun. «Bei null Teuerung rechtfertigen sich Mehrausgaben nicht», sagt Aeschi.

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