Darum kämpft Secondo Carlos Leal gegen die SVP-Initiative
«Ich wäre ausgeschafft worden»

Carlos Leal warnt vor einem Ja zur Durchsetzungs-Initiative. Der Rapper und Schauspieler ist überzeugt: «Hätten diese Regeln schon in meiner Jugend gegolten – ich wäre ausgeschafft worden.»
Publiziert: 11.02.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 19:10 Uhr
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«Wenn diese Initiative schon in meiner Jugend gegolten hätte – ich wäre ausgeschafft worden.»: Carlos Leal, Rapper und Schauspieler.
Foto: Jonathan Hanson
Interview: Christoph Lenz

Herr Leal, Sie melden sich kaum zur Schweizer Politik zu Wort. Nun machen Sie eine Ausnahme. Warum?
Ich lebe seit einiger Zeit im Ausland. Da behalte ich meine Gedanken zur Politik in der Regel lieber für mich. Bei der Durchsetzungs-Initiative finde ich es aber notwendig, mich zu äussern.

Was stört Sie an der SVP-Initiative?
Ich bin ein klassischer Secondo. Ich bin in der Schweiz geboren und aufgewachsen. Ich ging hier zur Schule und ass das Brot aus der Migros wie alle anderen auch. Je mehr ich herumkomme in der Welt, desto klarer wird mir, wie schweizerisch ich bin. Jetzt stimmen wir über eine Initiative ab, bei der ich das Gefühl habe, dass sie auch mein persönliches Schicksal betrifft.

Wie meinen Sie das?
Ich bin ziemlich sicher: Wenn die Regeln dieser Initiative schon in meiner Jugend gegolten hätten – ich wäre ausgeschafft worden. Ich wäre nicht in der Schweiz aufgewachsen.

«Es ist einfach nicht richtig, wenn wir die heutigen Teenager jetzt so hart drannehmen»: Carlos Leal (l.) mit «Sens Unik» im Jahr 1993.
Foto: Illustré

Wieso?
Ich war ein eher rebellischer Teenager. Wahrscheinlich, weil ich meine Identität in einem Land finden musste, in dem ich mich wegen meinen spanischen Wurzeln fremd fühlte. Ich nahm mir Freiheiten, die andere nicht hatten. Ich tat Dinge, die verboten sind.

Wovon sprechen wir?
Keine schweren Delikte. Aber Dinge, die in gewissen Konstellationen zu einer Ausweisung führen können, wenn die SVP-Initiative angenommen wird.

Zum Beispiel?
In einer warmen Sommernacht klettert man mit Kollegen über einen Zaun, um im Freibad oder einem privaten Pool schwimmen zu gehen, dabei geht vielleicht auch etwas zu Bruch. Oder man unternimmt eine Spritztour mit dem Töffli, das schon seit Wochen scheinbar verwaist an einer Strassenecke steht. Oder man kauft sich eine Handvoll Spraydosen und geht auf die erste Graffiti-Tour. Drogen waren natürlich auch ein Thema.

Wollen Sie Diebstahl und Drogen verharmlosen?
Gar nicht. Diese Dinge sind nicht okay. Und wer das Gesetz bricht, muss bestraft werden. Mein Punkt ist: Die meisten Teenager, die solche Dinge tun, sind keine hoffnungslosen Schwerkriminellen. Oft sind es ganz gewöhnliche junge Leute, die die Grenzen ausloten wollen. Die herausfinden müssen, wie weit sie gehen können. Das gehört zur Jugend! Die Durchsetzungs-Initiative bestraft das unerträglich hart. Das finde ich extrem ungerecht.

Nicht alle Jugendlichen nehmen Drogen, brechen das Gesetz.
Klar. Bei manchen gibt es weniger Spannungen, bei anderen mehr. Aber seien wir wenigstens ehrlich: Wir alle, die heute ein ganz normales Leben führen, Familie haben und die Steuern pünktlich bezahlen, haben Mist gebaut in der Jugend. Die meisten hatten Glück, so wie ich. Da ist es einfach nicht richtig, wenn wir die heutigen Teenager jetzt so hart drannehmen.

Carlos Leal, 46, ist schweizerisch-spanischer Doppelbürger und lebt seit 2010 mit seiner Familie in Los Angeles.

Statistisch betrachtet sind Ausländer eher kriminell als Schweizer. Was soll man dagegen unternehmen?
Es gibt da keine einfache Lösung. In meiner Kindheit hatten die Italiener, die Spanier und die Portugiesen einen miserablen Ruf. Heute sind sie bestens integriert, eine grosse Bereicherung für die Schweiz. Zugegeben, Integration braucht Zeit und Energie. Aber ich glaube einfach nicht, dass es etwas hilft, einen unterschiedlichen rechtlichen Massstab für Schweizer und Ausländer zu schaffen.

Den gibt es schon heute: Im Gegensatz zu Schweizern können ausländische Kriminelle ausgeschafft werden. Lehnen Sie das grundsätzlich ab?
Nein. Wenn ein Vergewaltiger erst seit kurzem in der Schweiz lebt, soll man ihn ausweisen. Das ist für mich ganz selbstverständlich. Aber mit der SVP-Initiative wird eine Differenz geschaffen zwischen Schweizern und hier verwurzelten Ausländern. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass wir das wirklich wollen. Sogar meine Mutter könnte wegen Kleinigkeiten ausgeschafft werden! Dabei ist sie die sanfteste, netteste Person, die ich kenne.

Wer nicht kriminell wird, hat doch nichts zu befürchten.
So einfach ist es nicht, auch viele Bagatellen können zur Ausschaffung führen. Ausserdem bin ich davon überzeugt, dass wir auf der Grundlage von Ängsten keine starke nationale Vereinigung aufbauen können. Ein Ja zu dieser Initiative hätte Uneinigkeit und Spaltung zwischen den Schweizern und den ausländischen Mitbürgern zur Folge. Das macht mir Sorgen. Es wäre nicht gesund für die Schweiz.

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