Seit acht Jahren bekämpft die SVP mit allen Mitteln die frühere Parteigängerin Eveline Widmer-Schlumpf (59). Die Rechtspartei macht die abtrünnige BDP-Bundesrätin für alles verantwortlich, was in der Schweiz falsch läuft.
Jetzt können Blocher & Co. einen Gang zurückschalten. Die Bündnerin hat einen neuen Gegner – einen viel gefährlicheren. Er kommt aus dem gleichen Lager wie Widmer-Schlumpf – der Mitte: CVP-Fraktionschef Filippo Lombardi (59). Der Tessiner Ständerat will die Vertreterin der Kleinpartei weghaben. Die SVP soll ihren Sitz bekommen. Das schrieb er vor ein paar Tagen in einem Aufsatz.
Die Anhänger Widmer-Schlumpfs gingen sofort in Stellung. Falls diese gehen müsse, sei der Atomausstieg – das wichtigste Projekt von Mitte-links der letzten Jahre – gefährdet.
Lombardi lässt sich davon nicht beeindrucken. Im Gegenteil – er legt noch einen drauf: «Die Schweizer Energiepolitik hängt nicht vom Verbleib eines einzelnen Bundesrats im Kollegium ab», sagt er zu SonntagsBlick. Entscheidend seien die «energiepolitischen Realitäten wie der subventionierte Öko-Strom aus Deutschland und der billige Strom aus deutschen Kohlekraftwerken: Sie machten die Atomenergie, aber leider auch die Schweizer Wasserkraft unattraktiv», sagt er.
Und: «Selbst mit sieben SVP-Bundesräten würden in der Schweiz keine neuen AKW mehr gebaut!»
Einfach deshalb, weil es weder eine Mehrheit in der Bevölkerung für ein neues Kernkraftwerk gebe noch die Gestehungskosten stimmen würden. Mühleberg und Beznau werden deshalb zu «gegebener Zeit» ersatzlos vom Netz genommen, ist er überzeugt.
Der CVP-Mann kontert damit das wichtigste Argument, warum die BDP-Magistratin im Dezember wiedergewählt werden soll.
Seine kritische Position gegenüber Widmer-Schlumpf hat sicher auch wahltaktische Gründe: Lombardi will sich im Oktober als Ständerat bestätigen lassen. Sich vorbehaltlos hinter die aktuelle Landesregierung zu stellen, bringt im Südkanton keine Stimmen: Viele Tessiner sind mit Bundesbern unzufrieden, was sich beispielsweise im klaren Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative zeigte. Auch bei der Bewältigung des Flüchtlingstroms fühlt sich das Tessin alleine gelassen.
Was Lombardi sagt, würde man von Mitte-Politikern nördlich des Gotthards kaum hören: «Immer mehr Leute fragen sich: Was bringt mir das Wachstum, wenn wegen der Zuwanderung die Lebensqualität sinkt, die Job-Angst und der Druck am Arbeitsplatz steigen und am Schluss der eigene Lohn stagniert und Strassen wie Züge überfüllt sind?»
Damit punktet Lombardi bei rechten Wählern. Dass er selber auf eine Bundesratskandidatur abzielt und deshalb gute Stimmung bei der SVP macht, stellt er vehement in Abrede.
In der Mitte hat sich der Verwaltungsratspräsident des Eishockeyclubs HC Ambrì-Piotta mit seinen Aussagen kaum neue Freunde gemacht. Das Verhältnis zur BDP ist jedoch sowieso angeschlagen. «Die geplante Unionsfraktion von CVP und BDP hätte uns im Parlament gestärkt und ein Argument für zwei Sitze für die Mitte im Bundesrat geliefert. Das ist jetzt leider vom Tisch», sagt er. Und fügt an: «Auch das hat die Ausgangslage von Widmer-Schlumpf nicht verbessert.»
Die Frage bleibt: Akzeptiert die Partei den Kurs ihres Fraktionschefs? Die CVP-Parlamentarier stehen mehrheitlich hinter Widmer-Schlumpf. Ein offener Krach wäre das Letzte, was die bedrängten Christdemokraten jetzt gebrauchen können. Ignorieren können sie die Positionen von Lombardi aber nicht. CVP-Chef Christophe Darbellay (44) absolviert im September seine letzte Session und tritt im Frühjahr als Präsident ab. Lombardi, dessen Karriere nach seinen Blaufahrten immer wieder auf der Kippe stand, ist jetzt der starke Mann der Partei.