CVP-Präsident Gerhard Pfister (54)
«Der Bundesrat drückt sich vor der Verantwortung»

CVP-Präsident und Nationalrat Gerhard Pfister (54) kritisiert die Landesregierung und die SVP wegen ihrer Versäumnisse in der Migrationspolitik. Und er warnt vor einem europapolitischen Showdown.
Publiziert: 08.01.2017 um 15:07 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:18 Uhr
CVP-Präsident Gerhard Pfister im Berner Bellevue.
Foto: Sabine Wunderlin
Interview: Sermîn Faki und Simon Marti

Herr Pfister 2016 war für Ihre Partei ein Horrorjahr. Haben Sie das über die Festtage verdaut?
Gerhard Pfister Ich bin nicht der Typ, der Ressentiments gegenüber der Vergangenheit hat. Aber ja, die die CVP hatte definitiv schon bessere Jahre. Um auf die Erfolgsspur zurückzufinden, müssen wir noch viel arbeiten.

Auch das neue Jahr hat schlecht angefangen: Im Wallis kandidiert CVP-Mann Nicolas Voide auf einer Liste mit SVP-Regierungsrat Oskar Freysinger – und konkurriert damit Ihren eigenen Kandidaten Christophe Darbellay.
Das ist eine kantonale Angelegenheit. Die CVP Schweiz steht hinter den offiziell Nominierten. Aber ich kann nicht bestreiten, dass solche Aktionen dem Parteifrieden schaden. Und mich ärgert, dass davon nur einer profitiert: der Walliser SVP-Regierungsrat.

Der Turnaround soll der CVP mit einer konservativen Wende, der Betonung des christlichen Erbes gelingen. In Zeiten islamistischer Anschläge ist dies populär. Wie bewusst ist Ihnen diese Positionierung?
Wir politisieren dort, wo die Sorgen der Menschen sind. Bei der Sicherung der Renten ebenso wie bei Fragen oder Ängsten aufgrund von Fundamentalismus. Diese Anschläge auf unser westliches Lebensmodell passieren. Als Partei müssen wir Antworten darauf haben. Es geht darum, Selbstverständliches durchzusetzen.

Zum Beispiel?
Zum Beispiel, dass jemand, der in unser Land kommt, sagt, wer er ist und was er hier will. In der Schweiz tauchen Tausende unter. Hier müssen wir Gegensteuer geben und sicherstellen, dass Personalien von Asylbewerbern schon an der Grenze geklärt werden und sich Leute, deren Identität unklar ist, nicht unbeaufsichtigt im Land bewegen.

Kämpferischer Konservativer: Gerhard Pfister.
Foto: Sabine Wunderlin

In der Europapolitik pochten Sie erfolglos auf eine härtere Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative. Nun werden Stimmen für ein Referendum gesammelt. Sehen Sie sich bestätigt?
Zumindest demokratiepolitisch finde ich das Referendum begrüssenswert. Aus meiner Sicht hätte aber die SVP, die jetzt von Verfassungsbruch redet, die moralische Pflicht, dieses zu ergreifen.

Für Sie ist es kein Verfassungsbruch?
Der Volkswillen wurde ungenügend umgesetzt. Dennoch unterstützen wir das Referendum nicht. Wir brauchen jetzt ein Gesetz, auch wenn das vorliegende für die CVP ungenügend ist. Die Umsetzung macht die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren attraktiver für stellenlose Ausländer. Das wird eine regelrechte Sogwirkung entfalten und die Zuwanderung noch verstärken.

Hätte das CVP-Modell ein Referendum verhindert?
Ja. Wir hätten die Zuwanderung effektiver begrenzt und die Schweizer Souveränität gestärkt. Noch wichtiger: Das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wäre nicht erschüttert worden. Und wir hätten es der SVP nicht schon wieder so leicht gemacht, die Opferrolle einzunehmen.

Die europapolitische Grosswetterlage ist unübersichtlich. Referendum, Rasa-Initiative und Gegenvorschlag und dann noch die angekündigte Auns-Initiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit…
Ich hätte all das gern vermieden, vor allem die Auns-Initiative.

Weil Sie nicht an einen Sieg der Gegner glauben?
Weil ein Sieg der Gegner schwieriger werden wird, als man heute annimmt. Mit dieser Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative hat die Politik viel Kredit in der Bevölkerung verspielt. Jetzt provoziert man geradezu eine Brexit-Situation, den Totalangriff auf die Bilateralen.

«Jetzt provoziert man geradezu eine Brexit-Situation»: Gerhard Pfister.
Foto: Sabine Wunderlin

Immerhin wäre die Frage klarer als beim Gegenvorschlag des Bundesrats zur Rasa-Initiative, welche die Masseneinwanderungs-Initiative aus der Verfassung streichen will.
Ich bin enttäuscht, dass der Bundesrat seine Regierungsfunktion in zentralen Fragen nicht mehr wahrnimmt. Bei der Masseneinwanderungs-Initiative hat er eine Botschaft ans Parlament überwiesen – in der Erwartung, dass diese verworfen wird. Einen Teil der Kritik aus dem Volk muss daher der Bundesrat auf sich nehmen. Dennoch macht er bei Rasa genau das Gleiche: Er bringt zwei schwammige Varianten und drückt sich damit vor der Verantwortung.

Wie positioniert sich die CVP in Sachen Rasa-Gegenvorschlag?
Das müssen wir in der Fraktion noch genau anschauen. Ich persönlich sehe die Notwendigkeit für einen Gegenvorschlag nicht.

Sie sind gegen ein Referendum, gegen Rasa und gegen die Auns-Initiative. Brauchen wir keine Klärung in der Europapolitik?
Wir brauchen diese Klärung, dieses reinigende Gewitter nicht. Was die Schweizer wollen, ist klar: kein EU-Beitritt, aber geregelte Beziehungen mit der EU. Nein, wir sollten auf der pragmatischen Linie der kleinen, guten Schritte weiterfahren.

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